
Tag 304 - Gerace und Serpentinen
Fahrrad-weltreise: Aspromonte Nationalpark nach Campomarzio
01.04.2024
Es ist unglaublich still, sodass jedes Rascheln im Schlafsack laut erscheint. „Guten Morgen“ flüstert Kyra zu Michi. „Morgen“, raunt es leise aus der Schlafsack Höhle zurück. Ein paar Minuten später sind die Tassen mit Müsli gefüllt und wir frühstücken. Der Regen der Nacht hat aufgehört, doch das Zelt ist noch pitsche patsche nass. Wir packen dennoch alles schnell ein und schwingen uns auf die Drahtesel. In der Nacht hatte es nur 4°C und wir blasen Rauchschwaden in die Luft. Dennoch haben wir uns gegen Handschuhe entschieden, denn je tiefer wir kommen, desto wärmer wird es. So folgen wir noch etwas dem EuroVelo 8, doch auch heute wird er seinem Namen „Sonnenroute“ nicht gerecht. Rasch geht es durch den Nationalpark und rechts auf eine Straße, die genau auf einem Kamm entlang führt und wir sehen… das Meer! Zudem geht es fast ausschließlich bergab. Die Straße schlängelt sich nun am Hang entlang und wir erhaschen einen grandiosen Ausblick nach dem anderen. Zeitweise der Weg so gewunden, dass wir uns in den Haarnadel-Kurven winken können. Immer wieder sehen wir in Schießscharten. Zahlreiche kleine Bunker wurden in den Berg getrieben und Michi erkundet einen ein wenig. Es tropft von der Decke und auch der Boden ist teilweise geflutet, halb eingestürzt liegt Geröll in manchen Gängen. Dazu gesellt sich Unrat aller Art. „Zeit zu gehen“, denkt sich Michi. Als er aus dem kleinen verzweigten Stollen ins Licht tritt genießt Kyra noch immer den Ausblick. Erneut geht es rasant hinab in Richtung Gerace. Dort angelangt, darf Fridolin eine kleine Runde drehen, ehe wir uns in die Altstadt hochstrampeln. Über einige Kurvem schrauben wir uns empor. Wir verschnaufen kurz und haben ein kurzes, nettes Gespräch mit zwei älteren deutschen Damen.



Dann geht es weiter zum alten Kastell, die Normannenfestung, das leider durch Angriffe und Erdbeben so zerstört wurde, dass es heute nur noch von außen betrachtet werden kann. Dennoch bietet es vor den tief liegenden Ländereien, dem Meer und den Bergen eine atemberaubende Atmosphäre. Wir schlängeln uns durch die mittelalterlichen Gässchen. Man mag sich gar nicht ausmalen, wie voll Gerace im Sommer sein muss! Doch wir genießen es beinahe allein, dafür auch mit vielen Bauzäunen. In der Nebensaison wird fast überall die Zeit genutzt, um vieles wieder hübsch zu machen. So können wir die Kathedrale leider nicht besuchen, aber rollen in sanftem Sonnenschein mit Blick aufs tiefblauen Meer hinaus aus dem alten Kern. Wir finden eine Bank mit grandiosem Ausblick über die Küste und kochen schnell Nudeln mit Pasta. Denn ein unwetter steht an. Ein Hund interessiert sich für unseren Nachtisch, Orangen… Doch als rufend ein Junge auf uns und ihn zuhastet rennt der Hund wieder weiter und der Junge hinterher. Wir treten an die Ballestrade und genießen. Unterhalb stehen seit wir hier angekommen sind zwei Soldaten an einem Militär-Jeep. „Was machen die denn da?“, fragt Kyra. „Keine Ahnung“, antwortet Michi und wir sehen den beiden noch ein wenig dabei zu, wie sie im Kreis gehen. Dann sind Kumquats, Orangen und eim Apfel aufgenascht und wir packen alles unter den drohenden Regenwolken ein. Es geht in den letzten Sonnenstrahlen, doe durch die dunkelgrauen Wolken blitzen in Serpentinen rasant hinab und auf einen Regenschleier zu. Ein letzter Blick zurück auf Gerace und schon ziehen wir uns in Lorca Regenkleidung an. Auch bei uns ist kein heiter Sonnenschein mehr. Michi wundert sich, warum Kyra zweimal ohne ersichtlichen Grund zurückfällt. Kyra wundert sich weswegen Michi einfach davon fährt. So kommt wegen Kleinigkeiten im Regen eines zum Anderen und wir machen gegenseitig dem Ärger Luft.



Kyra springt zum Einkaufen in einen Laden, den eigentlichen Grund für den Einkauf, Zippbeutel, haben sie nicht. Dafür Baguette, Couscous und ein wenig Wurst. Wir einigen uns auf einen Waffenstillstand und eigentlich will auch niemand von uns streiten. Der Straße folgend erblicken wir einen weiteren Markt. Es gibt erneut keine Zippbeutel, aber Eis. Cookie mit Pistazie, es lässt den Ärger und Frust schmelzen sowie das Gemüt strahlen. So sehr, dass sogar das Wetter wieder aufklart. So gestärkt geht es weiter der Straße entlang. Mehrere Bauwerke stehen halbfertig in der Landschaft. Es handelt sich um Schwarzbauten, wie man sie immer wieder sieht. Doch diese hier im Süden sind schon ziemlich groß. Ob es ein Wohnkomplex oder ein großes Hotel werden sollte wissen wir nicht. So skurril beeindruckend die großen Bauten wirken, so traurig ist es jedoch auch sie so zerfallen zu sehen. Welch eine Verschwendung an Zeit, Material und Geld! Doch ein paar Meter weiter treffen wir erneut auf Überreste von Gebäuden. Dieses Mal handelt es sich jedoch um Ruinen einer Ausgrabungsstätte. Wir fahren rechts von der Straße ab und stoßen auf einen kleinen Weg, der uns an einer Ferienanlage, die verlassen erscheint vorbei zu einer kleinen Hütte eines Fischers führt. Auch diese scheint zwar genutzt, jedoch heute leer zu sein. Wir schlagen uns etwas durchs Gebüsch und finden eine Ebene Fläche auf der Düne. Etwas besseres werden wir heute nicht finden. Die Häuser der Stadt und Ferienanlage sind nah, doch durch das Schilf wird uns schon niemand sehen. Schnell ist das Zelt in der Dämmerung aufgebaut und wir verschwinden darin. Gute Nacht!

