Tag 34 - Drahteselpflege (05.07.2024)

Von Windermere nach Bassenthwaite Lake

Vom rascheln des Windes wachen wir ein paar Mal in der Nacht auf, schlafen jedoch erneut wieder ein. Als der Wecker um 6:00 Uhr klingelt, sind wir weiterhin erschöpft und müde, weshalb wir nochmal einschlafen. Erst um kurz vor 8 Uhr schaffen wir es uns aus den Träumen zu reißen und alles einzupacken. Die Bodenplane schütteln wir einmal aus und machen es uns auf dieser zum Frühstücken bequem. Es gibt Joghurt, den Rest Müsli mit Milch und Weintrauben. Anschließend machen wir uns noch Wasser für einen Kaffee heißen. Der Drache, unser Kocher, klingt zwar wieder leicht verstopft, tut jedoch sein bestes und das Wasser kocht innerhalb kürzester Zeit. Während wir vor Kälte zitternd unseren Kaffee trinken, schwirren zahlreiche Midges um uns herum. Der Dampf unseres Kaffees vertreibt sie zumindest aus dem Gesicht. Wir genießen die Stille am See und Michi entscheidet sich seine Bremse zu reparieren. Diese lässt sich seit beginn der Tour nicht mehr nachstellen und so langsam ist sie etwas runtergefahren. Die Reparatur erweist sich nicht als leicht, sondern eher als unmöglich. Die Verstellschraube ist rund und lässt sich nicht drehen. Auch Schmieröl hilft nicht weiter. Die Schraube lässt sich einfach nicht drehen. Und dann fehlt auch noch ein Bit vom Reperaturtool. Wir suchen über eine Stunde, bis wir es endlich gefunden haben. Der Bit ist in eine Tasche gefallen und hat sich dort versteckt gehalten. Mit der Bremse hingegen kommen wir nicht weiter. Michi baut diese etwas enttäuscht wieder ein, macht neue Bremsbeläge drauf und hofft auf eine baldige Fahrradwerkstatt. Als nächstes ist Emil dran. Kyra hatte die letzten Tage Schwierigkeiten in den ersten Gang zu kommen und dieser rüttelt. Also muss die Schaltung neu eingestellt werden. Anschließend werden die Ketten von beiden Drahteseln von Michi gepflegt und Kyra schreibt den Blog des letzten Tages nach, während wir zwischendurch unseren Gedanken nachgehen. Die ganze Zeit haben wir einen schönen Ausblick auf den See und können immer wieder für kurze Zeit die Sonne genießen. Dadurch frieren wir nicht mehr ganz so. Es sind immerhin 13 °C! Auf dem See paddeln einige Boote an uns vorbei und drehen Tourismus-Schiffe ihre Runden. Hinter uns wandern einige Personen in regelmäßigen Abständen oder kommen Mountainbikes die kleine Steigung hinunter geschossen. Der Tag, der eigentlich an der Westküste von England enden sollte, wird ein fast Fahr-Pausentag. Als Kyra “fertig” ruft und den Blogbeitrag von gestern beendet hat, kommt Michi mit fast sauberen Händen zurück vom Bach. Wir essen noch Brot, bepacken die Drahtesel ein zweites Mal an diesem Tag und fahren los. Keine 5 m weiter gucken wir uns verdutzt an und lachen. Eine perfekte Stelle mit Wasserzugang und Sitzmöglichkeit zum Wildcampen. Im Nachhinein gesehen war unsere Stelle jedoch auch sehr gut.

Unser Weg führt uns eine Weile am See entlang, bis uns ein Schotterweg hinweg führt. Es geht durch idyllische Landschaften hoch und runter. Ein paarmal überqueren wir die Straße und befinden uns erneut auf den Schotterweg. Dieser kommt uns wie eine leichte Mountainbike-Strecke vor. Doch wir haben den Weg für uns und treffen nur selten auf andere Fußgänger*innen. Am Ende des Weges kommen wir auf eine asphaltierte Straße, die uns entlang eines Flusses führt. Zahlreiche einheimische scheinen das zwar kalte, aber gute Wetter zum Wandern zu nutzen und somit teilen wir uns die Straße. Plötzlich stehen wir vor dem nächsten See, dem “Rydal Water”. Erneut geht es auf und ab über Schotterwege und an einem Fluss entlang, bis wir an unseren dritten See des Tages “Grasmere” gelangen. Grasmere beeindruckt mit einem großen Kiesstrand, der zum Schwimmen einlädt. Doch bevor wir geprüft haben, ob hier schwimmen erlaubt ist, sind wir durch den kalten Wind so ausgekühlt, dass die Idee zu Schwimmen uns beinahe dumm vor kam. Also schwingen wir uns erneut beherzt auf die Drahtesel und überlegen mit wunderschönen Ausblicken auf den See, wie weit wir heute noch fahren könnten. In dem gleichnamigen Örtchen “Grasmere” geht Kyra schnell einkaufen. Wir benötigen noch eine Kleinigkeit zum Frühstück.

Anschließend steht unser längster Anstieg des Tages bevor, zum Glück auf asphaltierter Straße, denn von Schotterwegen mit über 30 % haben aktuell unsere Beinmuskeln genug. Wir merken bei steilen Anstiegen sofort, dass die Muskeln dicht machen und kaum noch Kraft aufbauen. Dieser Anstieg hingegen ist sanft mit sehr steilen Passagen. Von hinten kommen drei Rennradfahrer heran und nähern sich langsam. Sie scheinen sichtlich beeindruckt und kämpfen genauso wie wir. Als sie Michi nach einer Ewigkeit geschafft haben zu überholen, hängt er sich hinten dran und lässt nicht locker, bis der Anstieg beinahe geschafft ist. Hier wartet er jedoch auf Kyra und gemeinsam stürzen wir uns die Abfahrt hinunter. Der Weg führt erneut von der Straße weg und wir ahnen schon schlechte Schotterwege mit vielen Höhenmetern, doch wir werden sichtlich überrascht. Der asphaltierte Radweg führt uns mit sanften Steigungen an der Hauptstraße entlang.

Wie auf einer Achterbahn gleiten Emil und Elias bergauf und bergab. Ohne, dass wir treten müssen. Nach zwei Gattern, kommt es noch besser. Wir scheinen auf der alten Straße zu fahren, die durch eine neue Straße auf der anderen Seite des Sees abgelöst wurde. Die Straße gehört in diesem Moment nur uns, ist schön breit, asphaltiert und nahezu keine Steigungen. Zwischendurch haben wir fabelhafte Ausblicke auf den See zu unseren rechten und kleinen Wasserfällen zu unserer linken. Zu beiden Seiten türmen sich zudem steile hohe Hügel empor. Einfach wunderschön! Nur sehr selten kommt uns ein Rennrad oder Auto entgegen. Somit genießen wir die ruhige Fahrt und traumhafte Natur. Am Ende des Sees, scheint dieser gestaut und unsere Straße führt uns über das Bauwerk. Weiter geht es am Fluss entlang, bis die nächste Steigung auf uns wartet. Oben angekommen wären wir aufgrund des schönen Ausblicks und der wartenden Abfahrt fast an dem Castlerigg Stone Circle vorbei gefahren. Der Steinkreis von Circle ist einer der größten Steinkreise in England und stammt sehr wahrscheinlich aus dem Ende der Jungsteinzeit bzw. Beginn der Bronzezeit. Die Bedeutung des alten Steinkreises ist unbekannt. Spekulationen gehen davon aus, dass der Steinkreis eine Begegnungsstätte war oder für Rituale genutzt wurde. Wir nehmen uns Zeit den Steinkreis abzulaufen, zu betrachten und zu fotografieren. Wahnsinn, wie die so großen und schweren Steine (der größte Stein wird auf ca. 16 Tonnen geschätzt) ihren Weg hierhin und in diese Positionen fanden.

Unsere folgende Abfahrt führt uns in die Stadt Keswick, welche wir schnell durchfahren und nur einen kurzen Blick auf das „Derwent Water“ haben, denn unser Ziel ist der nächste See „Bassenthwaite Lake“, wo wir einen Schlafplatz für die Nacht finden wollen. Als wir den See erreichen fahren wir zunächst auf eine kleine Halbinsel, die in den See hineinragt. Schilder weißen darauf hin, dass Zelten hier verboten ist. Wir schauen uns die Halbinsel trotzdem kurz an, entscheiden jedoch es aufgrund zahlreicher anderer Menschen auf der nächsten zu versuchen. Somit fahren wir auf der viel befahrenen Hauptstraße ein paar Meter weiter und erreichen einen kleinen Parkplatz mit einem Gatter, welches erneut den Weg zu einer Halbinsel öffnet. Hier ist es ruhiger. Lediglich zwei Frauen sind am telefonieren und scheinen gleich weiterzufahren. Die Halbinsel ist wesentlich größer und bietet viel Platz, um ein kleines Zelt zu verstecken. Schnell ist eine gute Stelle gefunden. Während Michi alle Sachen von Emil und Elias sortiert, zieht sich Kyra aus und geht in den See. Das Wasser ist kalt und der See sehr flach, weshalb es eher ein Spritzbad, als Schwimmen wird. Von allen Seiten fächert sich Kyra Wasser zu und geht wieder hinaus. Wir fangen an zu kochen und sehen bis zum Abend nur noch ein Paar mit einem Hund. Als das Essen gerade fertig ist, entscheiden wir das Zelt schnell aufzubauen und in diesem zu Essen, da die zahlreichen Midgets uns beinahe verspeisen. Überall krabbeln diese hin und lassen nicht locker. Einfach nervig! Als es bereits dunkel ist, verspeisen wir unser Essen im Zelt, pusten die Isomatten auf und gehen schlafen. Gute Nacht!