Tag 37 – Alle Wege führen nach Rom (08.07.2024)
Von Brampton nach Wall
Vögel zwitschern, Autos brausen in der Ferne vorbei und wir erwachen zwischen den ersten Sonnenstrahlen. Zügig bauen wir das Zelt ab. Als letztes falten wir unser Tarp zusammen. In diesem Moment biegt ein Spaziergänger mit Hund in den Weg zu uns ein. Wir grüßen uns und er blickt auf die Stelle, an der das Zelt stand, auf die Fahrräder, auf uns, lächelt und geht weiter. Wir rollen mit Emil und Elias den Waldpfad hinab zu einer kleinen Bank. Sie ist ausschließlich aus Holzteilen zusammengesetzt und bietet einen herrlichen Ausblick auf die verschiedenen Wege in das Wäldchen. Frühstückszeit! Während Michi Müsli in Tassen füllt, begibt sich Kyra hinab zum rauschenden Bach. Der Boden ist aufgeweicht und neben dem Weg fällt das Gelände steil ab. Unten angelangt eröffnet das Wäldchen eine magisch anmutende Welt. Der Bach strömt fröhlich gurgelnd dahin und hat über die Jahre den Stein an mehreren Stellen ausgehöhlt. Die Steine sind mit Moosen bedeckt und rutschig. Sonnenstrahlen durchbrechen das Blätterwerk und verleihen den Wassertropfen ein Funkeln. Eingeritzte Initialen und Jahreszahlen in den Steinen zeugen davon, dass dieser Ort Menschen schon länger anzieht, als wir beide alt sind. Bereits durch Auswaschung verblasste Gravuren lassen vermuten, dass diese noch deutlich älter sind. Als Kyra zurück ist, schaut sich Michi das Spektakel ebenso an. Es stehen auch Bänke in Gedenken an Verstorbene oberhalb des Bachlaufs. Welch schöne Möglichkeit, um zur Ruhe zu kommen und geliebten Menschen zu Gedenken und zugleich das eigene Leben und die Natur um einen herum zu spüren. Uns passieren noch einige Spaziergänger mit und ohne Hunden. Eine Border Terrier Dame interessiert sich besonders für uns und die Bank. Doch das liegt weniger an uns als an der Bank. “Dort lassen die Menschen häufig Brotreste oder andere Krümel liegen”, erklärt die Frau neben ihr. “Tut uns leid heute nicht”, erwidern wir und ungläubig schaut uns die Borderdame schwanzwedelnd an. Dann rennt sie weiter. Ein alter Mann grüßt uns heiser und läuft langsam mit seinem agilen Hund den matschigen Pfad hinab. Der Hund blickt uns freudig an und fordert uns mehrmals auf, ihnen zu folgen. Doch wir müssen nun langsam weiter. Wir schieben Emil und Elias aus dem Wäldchen und rollen los Richtung Brampton.
Das nette Örtchen verlassen wir in Richtung der romantischen Priorei Lanercost. Dort angelangt, stellen wir fest, dass man erneut Eintritt zahlen müsste. Wir überlegen und entscheiden uns dafür, das Gelände außerhalb zu erkunden. Weiter geht es Richtung Hadrianswall. Überreste dessen tauchen nun immer wieder in der hügeligen Landschaft auf. Auch vom Fuße der Grundmauern ist der Blick gewaltig und hat angeblich Hadrian selbst begeistert. Wir erkennen den Lake District und die North Pennines hinter uns. Vorbei an einigen Wanderern geht es zur nächsten Ruine.
Auf Tafeln erfahren wir allerhand über den Zweck und die Art des Walls sowie das Leben der stationierten Legionäre. Beim Kastell Birdoswald können wir nicht widerstehen. Wir holen uns zwei Cappuccino und teilen uns ein Stück Torte. “The Cappuccino with chocolate?”, fragt der Kellner nett. Wir bejahen und bekommen etwas Kakaopulver auf unser Heißgetränk. Die Torte ist saftig und schmeckt nach… einfach gut, aber für stolze 13 Pfund. Das gut erhaltene Kastell ist eines der aus 16 bestehenden Festungskette am Hadrianswall. Mit neuer Energie machen wir uns wieder auf.
Schließlich wollen wir noch heute die große Grabungsstätte in Vindolanda sowie das Zentrum “The Sill” erreichen. Doch so schön die Landschaft ist, so sehr zehren die Hügel an den müden Muskeln. Nach einigen steilen Anstiegen passieren wir das Museum zur römischen Armee bei Greenhead. In Haltwhistle stoppen wir noch kurz für einen kleinen Einkauf im örtlichen Co-op. Kyra bringt zwei Wassereis mit. Herrlich schleckend stehen wir in der Sonne. Kurz darauf erreichen wir den geografischen Mittelpunkt Großbritanniens, der in dem Ort gelegen ist. Dann rollen wir weiter und werden gemeinsam mit zahlreichen Autos von ein paar Kühen gestoppt, die sich eher widerwillig von einer auf die andere Weide treiben lassen. Da wird schon mal hier und da ein Blättchen oder ein Gräslein mitgenommen, bevor man in die andere Weide einbiegt. Weiter geht’s und wir erreichen nach einer rasanten Abfahrt und einem Anstieg “The Sill”. Erschrocken stellen wir fest, dass dieses bereits, wie die anderen Museen, um 17 Uhr schließt.
Das kostenlose Informationszentrum mit innovativen und interaktiven Elementen bringt dem Menschen die Natur näher oder eher den Menschen der Natur. Hierbei verbindet man geschickt moderne Technologien mit Themen aus der regionalen Kultur, dem Naturschutz und nachhaltiger Entwicklung. So konnten wir die Tochter von Chris beim Spielen des Dudelsacks in der atemberaubenden Landschaft bestaunen und die Überflutung eines Dorfes durch geschickte Investitionen verhindern sowie in der Sonne ein wenig die Seele baumeln lassen. Von der Dame am eingang erhielten wir dann noch den Tipp, dass sie zwar leider ausgebucht sind und man keine Zelte aufnehmen dürfe, aaaaaber… im Dorf Wall “wildzelten” erlaubt sei. Man müsse lediglich eine E-Mail schreiben und dann erfahre man, ob es geht oder nicht. Gesagt, getan. Noch bei der Abfahrt meldet sich Alix vom Dorf per Mail zurück, dass wir herzlich willkommen sind.
Vindolanda hat leider ebenso bereits geschlossen, als wir vorbeifahren. Wir erhaschen jedoch noch ein paar gute Blicke auf das Gelände. Damit “Fridolin”, unsere Drohne, fliegen darf, muss Michi zunächst erneut nachweisen, dass er sich mit den örtlichen Regeln zum Führen einer Drohne auskennt. Schnell ist der online Test, welcher sich in weiten Teilen mit dem einfach Drohnenführerschein in Deutschland deckt, absolviert. Majestätisch hebt “Friedo” voller Vorfreude ab und… der Regen setzt langsam ein. So muss er auch schon wieder landen. Dennoch ein paar nette Bilder konnten noch gemacht werden. Wir klettern erneut einen Anstieg hinauf und blicken zurück auf Vindolanda und die Stelle, an der bis zum 28.09.2023 noch der berühmte Syncamore Gap Tree, bekannt aus dem Film “Robin Hood – Prince of thieves”, stand. Dieser markante, etwa 300 Jahre alte Baum wurde leider in einem Akt von Vandalismus gefällt.
Auf dem Grat der Hügellandschaft rauschen wir durch, von zahlreichen Schafweiden mit Steinmauern geprägte Landschaften. Ein rauchendes Feuer untermalt die Stimmung im Abendlicht. Es folgen noch einige Reiterhöfe und Herrenhäuser, ehe wir über eine schmale Brücke die Straße zum Dörfchen Wall erreichen. Dort angekommen bauen wir sogleich das Zelt neben zwei drolligen Wonneproppen auf. Die Schweine “Colin” und “Ben” begrüßen uns fröhlich und wir sprechen noch kurz mit ihrer Halterin. Dann fallen wir erschöpft nach dem erneuten Kampf mit unserem “Drachen” ins Bett.