Tag 64 - Broch of Gurness
Von Kirkwall nach Marwick
Nach einer ruhigen Nacht wacht Michi auf und schleicht hinaus in den Tag und hinab zum Strand. Es ist Ebbe und die Wellen haben feine Linien in den noch feuchten Sand gezeichnet. Die Stimmung vor dem rostigen Wrack ist magisch. Es ist nichts zu hören außer die leisen Wellen. Dann nach ein paar Minuten geht er zurück zum Zelt und… legt sich nochmal hin. Ein paar Stunden später bauen wir, wie auch unser Zeltnachbar Espen, der Wildtierfotograf, das Zelt ab. „Hope I didn’t wake you. I was getting a shot of the wreck and stars“, beginnt er ein gutes kurzweiliges Gespräch. Nein, wir waren so müde, dass wir definitiv gar nichts mitbekommen haben. Wir sind auf alle Fälle gespannt auf die Bilder und wer Fotos von Wildtieren mag kann auch gerne mal bei ihm vorbeischauen @espenhelland. Wir unterhalten uns noch kurz über Kameras und Social Media. Dann erzählt er, dass er gleich noch eine Freundin trifft, die für den WWF arbeitet. Sie verpflanzen Seetang bei der Insel Hoy auf Orkney in die Bucht neben Edinburgh, um diese erneut zu beleben und somit ursprünglich zu renaturieren. Klasse! Aber somit muss schnell los und seine Fähre bekommen. Wir verabschieden uns und so langsam füllt sich der Strand auch mit Leben. Wir packen zusammen und rauschen Richtung Lerwick. Da die Kathedrale am Sonntag Vormittag noch geschlossen ist fahren wir direkt weiter zum… richtig! Lidl. Wir kaufen gemeinsam für die nächsten Tage ein und verstauen anschließen alles in den Taschen der wartenden Esel. Dann brechen wir auf zu unseren kleinen Orkney Rundreise. Wir fühlen uns beide irgendwie weiterhin schlapp. Die ersten Gräber und Steinkreise lassen nicht lange auf sich warten, doch wir bewahren uns auch etwas für die Zukunft auf. Alle zu erkunden wäre ohnehin eine eigene Reise und zudem kommen, wie wir von Ben wissen, immer neue Entdeckungen dazu. An einem Parkplatz überkommt uns der Hunger. Wir braten uns Joghurt-Mehl-Bratlinge mit Salat, Humus und Falafel. Lecker, wenngleich etwas mehr Mehl perfekt gewesen wäre.
Der Wind hat aufgefrischt und auch die Kajakfahrerin ist aus dem Wasser gekommen. Wir füllen noch schnell Trinkwasser nach und radeln weiter abseits der Hauptstraße die Hügel hinauf und schon sehen wir die Halbinsel, auf der auch unser erstes Ziel liegt, der Broch of Gurness. Am Eingang werden wir zur Kasse gebeten, aber zugleich sehr freundlich von dem Herrn hinter dem Tresen in die Anlage eingewiesen. Zunächst besichtigen wir das kleine Einraum-Museum, das örtliche Funde und Informationen zur Ausgrabung bereithält.
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Dann geht es um die Anlage herum zum historischen Eingang. Der Turm der Eisenzeit ist von einem kleinen Dorf umgeben und die einzelnen Räume sind für die Zeit noch gut erkennbar. Schon damals scheinen die Menschen gerne ihre Macht gezeigt zu haben. So wurde der Zugang zum Steinturm geschickt gelegt, sodass man zunächst durch die vermutlich zur Verteidigung dienenden Gräben und Wälle zu einem prächtigen Felsentor, dann durchs Dorf und schließlich den Eingang zum Turm gehen musste. Dabei fühlt man sich auch ohne den über 10 m aufragenden Steinturm vor einem auch heute noch klein. Im Dorf finden sich Vorratsgruben für Wasser, Steinregale, vermutlich zeremoniell genutzte Bereiche, doe nur durch ein vermutlich Wasserbecken betreten werden konnten und vieles mehr. Sogar ein Wikingergrab ist auf dem Gelände gelegen und zeugt von der langen Nutzung der Anlage bis in jüngere Zeiten. Warum es dann verlassen und vergessen wurde lässt sich bisher nur spekulieren. Als wir aufbrechen Willen unterhalten wir uns noch kurz mit einem Penzberger, der uns aufgrund des Weilheimer Kennzeichens (Michis alte Heimat) aufgefallen war. Dann brausen wir weiter zu den nächsten öffentlichen Toiletten und einem Sandstrand mit möglichem Schlafplatz.
Ein niederländisches Radreisepärchen sitzt bereits am Strand vor ihrem Zelt. Doe beiden sind uns vorhin schon entgegen geradelt. Man unterhält sich über die Reise, weitere Radreisen und den heutigen Schlafplatz. Wir würden gerne bleiben, aber haben nur etwas mehr als 30 km auf dem Tacho… Regenwolken ziehen auf und erste dicke Tropfen fallen herab. Wir schauen nochmal Strand auf und ab nach einem Platz und entscheiden uns doch noch weiter zu radeln. Somit könnten wir morgen tatsächlich bereits nach Hoy übersetzen. Wir treten kräftig in die Pedale und werden nach jedem Anstieg mit einem atemberaubenden, wenngleich manchmal verregneten Ausblick belohnt. Mal sehen wir die Felsen von Rousay und vor allem Westray im Sonnenscheineiner, dann die vom Wind verwehten Lochs Swannay und Boardhouse, sodass sie der See gleichen. Dann fahren wir auf eine Insel mit einem netten Leuchtturm zu, dem Brough of Birsay. Diese ist bei Ebbe zu Fuß zu erreichen, aber da es bereits spät ist und der Broch auf der Insel ohnehin derzeit nicht besichtigt werden kann, entscheiden wir uns gegen eine Wanderung und für Kilometer. So erreichen wir im Abendlicht Marwick mit dem Kitchener Memorial und den Felsen von Marwick Head. Am ersten Platz am Strand begrüßt uns neben den wunderschön kraftvollen Wellen und dem brüchigen, überhängenden Ufer ein Tierkadaver, wodurch wir weiterziehen. Über einen Single Trail rollen wir zu einer Parkbucht mit einem Cake-fridge – leider leer. Nur ein paar Meter weiter lehnen wor Emil und Elias gegen die alte Steinmauer und bauen das Zelt auf. Der Blick auf die Naturgewalt der heranrauschenden Wellen und die dahinterliegenden Felsformationen des Marwick Head beeindrucken. Meersalz liegt in der Luft und Möwen eifern um die Wette. Wir lassen uns erschöpft auf die Isomatte sinken. Es gibt noch die berühmte Pfannenpizza alla Drahteselzeit, ehe uns das rauschen der Wellen in einen tiefen Schlaf wiegt. Gute Nacht!