Fahrrad-Weltreisetag 186 - Weihnachtsmarkt (04.12.2024)

Von Reariz nach Vigo

Der Wecker klingelt um 7 Uhr, doch Kyra macht ihn aus und uns fallen erneut die Augen zu. Gegen 8 Uhr erwachen wir. Draußen wird es gerade hell, kein Lüftchen geht und wenige Tropfen der Bäume fallen vom gestrigen Regen beständig auf unser Zelt. Wir sind müde und haben keine Lust aufzustehen, doch auf der anderen Seite tut unsere Hüfte und Rücken weh, da die Luftmatratzen aufgrund der Bodenkälte viel Luft verloren haben. “Ich muss auf Toilette”, sagt Michi. “Das ist immer ein guter Grund aufzustehen”, lacht Kyra. Wir setzen die Aussage in die Tat um, packen die Schlafsäcke ein und lassen die Luft aus den Isomatten. Dann ziehen wir uns an und verlassen das Zelt. Der Himmel ist grau und unser Zelt tropft vor Feuchtigkeit. Doch von außen ist das Zelt trotz Windstille erstaunlich trocken. Wir strecken uns und gehen auf Toilette. Während Michi den Topf von gestern Abend abspült, wischt Kyra erstmals seit Ewigkeiten das Zelt trocken. Normalerweise schütteln wir es einfach nur, doch wir haben das Gefühle, dass die Imprägniert Nicht mehr so gut ist. Das Zelt trifft vor Feuchtigkeit und ist somit unglaublich schwer. Unsere Hoffnung ist, dass wir es so etwas trockener bekommen und die Höhenmetern dadurch leichter fallen. Schnell ist es geschafft und eingepackt. In der Zwischenzeit sind auch die ersten Pilger vorbei gelaufen. Eine ganze Frauengruppe aus den USA läuft mit kleinen Rucksäcken winkend vorbei. Kurz darauf kommt ein junger Mann, der uns grinsend filmt, was insbesondere Kyra ziemlich aufregt. Sie guckt ihn achselzuckend an und schüttelt den Kopf, denn ungefragt gefilmt werden wir ungern. Dann starten auch wir. Wir schieben die Drahtesel auf den Schotterweg und rollen zunächst runter.

Es geht ein bisschen auf und ab, doch schnell ist Pontevedra erreicht. Hier finden wir ein Aldi und Kyra geht schnell einkaufen. Mit gefüllten Taschen verlassen wir die Stadt und finden einen Tisch mit Bänken. Diese scheinen eher mit anderen Dingen notdürftig hier abgestellt worden zu sein. Aber das ist uns gerade egal, wir brauchen eine Frühstückspause, denn inzwischen ist es bereits 12 Uhr. Wir genießen Croissants, Brezeln und kleine Küchlein. Dazu gibt es Eiskaffee und Ananassaft. Dann hören wir eine Stimme über Lautsprecher immer näher kommen. Wir gucken uns irritiert an. Bereits zweimal hatten wir in Spanien so eine Situation, doch nie haben wir das dazugehörige Auto gesehen. An einem Ort schien uns die Lautsprecherstimme scheinbar zu verfolgen, es war richtig gruselig. Doch heute, sehen wir zum ersten Mal ein zur Stimme gehörendes Auto. Es hat zwei richtig große Lautsprecher auf dem Dach. Einer ist nach vorne und einer nach hinten gerichtet. Die Stimme scheint Preise für Artikel zu sagen, zudem hören wir das spanische Wort für Supermarkt. Zwischendurch läuft Weihnachtsmusik. Wir gucken uns lachend an und sagen gleichzeitig “Werbung”. Während wir weiter essen, fährt das Auto noch ein zweites Mal an uns vorbei. Wir nutzen die Zeit und telefonieren mit Kyras Mutter sowie Freunden. Tim und Angela sind ebenfalls aus Emden und momentan auf längerer Fahrradtour in Spanien. Wir überlegen, ob wir uns vielleicht für ein paar Tage über Weihnachten oder Silvester vielleicht sehen und etwas zusammen mieten. Da die beiden jedoch später gestartet sind und circa 7 Tage von uns entfernt radeln, könnte dies schwer sein. Trotzdem suchen wir nach dem Telefonat etwas schönes heraus. Dann wird es Zeit weiterzufahren. Die letzten 20 km mit ordentlichen Höhenmetern warten auf uns, bevor es an der Küste etwas flacher wird. Die Steigungen beginnen sofort. Es geht steil hinauf und runter. Mal muss Kyra schieben, mal wir beide. Einmal ist es so steil, dass wir zusammen jeweils ein Drahtesel nach dem anderen nach oben schieben, doch wir schaffen es. Trotzdem sind wir etwas ausgelaugt und müde. Wir überlegen den letzten Hügel über die Hauptstraße abzuwarten. In Redondela wechseln wir auf die Bundesstraße und finden auf dieser einen breiten Seitenstreifen vor, auf welchem wir fit fahren können. Einige Autos winken uns oder feuern uns an, so sind die weiteren Kilometer schnell geschafft. Kurz vor Vigo treffen wir auf eine alte Bahntrasse, die mit wenig Steigung angenehm in Richtung Innenstadt führt. Der Blick auf die Stadt ist der Wahnsinn. Spanien sieht seit heute ganz anders aus. Alles wirkt unruhiger. Deshalb machen wir nochmal kurz Pause und essen etwas Baguette. Eine Frau spricht uns an und leider verstehen wir kein Wort. Sie hält weitere Personen an, damit diese übersetzen können, doch wir alle gucken uns etwas ratlos an und lachen viel miteinander. Dann erklären Sie uns den Weg nach Vigo und verabschieden sich. Wir packen zusammen und fahren in die Stadt. Da die ganze nun folgende Küste ist so städtisch und wir haben bereits 17 Uhr, dass wir uns spontan entscheiden in 7 km in eine Herberge zu gehen. Also rollen wir die letzten Kilometer in die Stadt. Dabei staunen wir weiter, wie diese vom Radweg aussieht. Häuser scheinen über Häusern zu stehen und kein Platz ist in Sicht. Als wir es schaffen den Radweg zu verlassen und in die Innenstadt rollen, sehen wir kleine Holzhütten aufgebaut. Kyra ist ganz aus dem Häuschen: “Ein Weihnachtsmarkt”.

Tatsächlich, der Geruch von Essen kommt herüber Und die ersten Lichter leuchten. Doch zunächst checken wir in der Pilgeralbergue ein. Da wir bereits in Santiago waren, haben wir ein bisschen Sorge, ob wir überhaupt aufgenommen werden. Doch uns wird sofort die Tür geöffnet und ein sicherer Stellplatz für die Drahtesel gezeigt. Wir bekommen einen Stempel in unseren Pilgerausweis und Einwegbettlaken, wie wir sie bereits von Camino frances kennen. Als Kyra fragt, wie viele Pilger da sind, zeigt die nette Frau auf uns beide. “We are alone?” fragt Kyra ungläubigen und sie nickt. Verrückt, eine Unterkunft für 97 Personen, nur für uns. Aber wer weiß, vielleicht kommt ja noch jemand. Wir entscheiden uns zunächst auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Bis 22 Uhr haben wir Zeit, dann wird die Albergue geschlossen. Aktuell ist es 19:30 Uhr, also sollte für einen schnellen Besuch genug Zeit bleiben. Schnell stellt sich jedoch heraus, bei schnell bleibt es nicht. Zunächst irren wir etwas planlos Durch die schöne beleuchtete Altstadt, bis wir einen riesigen Tannenbaum aus tausend Lichtern vor uns sehen. Ein Lichtermeer aus vielen Farben leuchtet vor uns. Da es möglich ist hinein zu laufen und den Tannenbaum von innen zu bewundern, stellen wir uns in die kleine Schlange und lassen uns das nicht entgehen. Es sieht tatsächlich von innen noch unglaublicher aus. An den Stromverbrauch darf man dabei allerdings nicht denken. Als wir nach ein paar Fotos den Lichtertannenbaum verlassen, sehen wir, dass die ganze Straße vor uns mit Lichtern geschmückt ist. Es folgen Rentiere mit Schlitten aus Lichtern, Geschenke und mehr. Als wir eine Figur gerade bewundern, fährt eine Bimmelbahn mit zahlreichen Gästen an uns vorbei. Dann nähern wir uns dem Ende und biegen links ab. Unter uns ragt ein Riesenrad empor. Wir laufen die Straße hinunter und müssen lachen, als wir sehen, dass sogar ein Getränkeautomat geschmückt ist. “Die haben auch alles, jeden Baum geschmückt. Bis auf diesen” und Kyra zeigt auf einen kleinen Busch. Wieder müssen wir lachen. Neben uns beginnen die kleinen Holzhäuschen, die wir vor circa eiber Stunden gesehen hatten. Es riecht köstlich, doch zunächst schauen wir uns um. Als wir alles gesichter haben , entscheiden wir uns für einen Wap mit Fleisch. Er wird vor unseren Augen zubereitet und riecht fantastisch. Dazu gibt es für Michi ein Bier und Kyra ein Cidre. Wir genießen im Trubel unser teures Weihnachtsmarkt essen und beobachten die Leute um uns herum. Anschließend gehen wir weiter und entdecken Häuschen, die wir vorher noch nicht gesehen hatten. “Guck mal Kyra, Glühwein!” stellt Michi fest. Wir teilen uns einen und werden vom Geschmack leider etwas enttäuscht. Es schmeckt mehr nach Wasser mit Gewürzen als Glühwein. Aber egal, wir genießen unsere Weihnachtszeit. Anschließend finden wir auf dem Rückweg in Richtung Herberge noch einen günstigen Stand mit Churros, wo wir zu einem Nachtisch nicht nein sagen können. Dann geht es mit einem kleinen Halt im Supermarkt, wo wir eine Orangenlimo kaufen, zurück. Noch immer sind wir die einzigen Gäste, weshalb wir die Damen- und Herrenduschen für uns haben. Dann geht es müde ins Bett. Gute Nacht!