Fahrrad-Weltreisetag 189 - Wind, Sonne, Porto

Von Labruge nach Maceda

“Michiiii!”, ruft Kyra erschrocken. Doch Michi ist just in diesem Moment ebenso wach. Das Zelt wird von Windböen durchgeschüttelt. Schlagartig sind wir hellwach. Die See ist aufgewühlt. Sand und Gischt vermischen sich in der Luft. Mit einem “Pling” fliegt einer der Heringe aus dem lockeren Sandboden davon. Das Zelt quittiert es uns mit einem unkontrolliert flatternden Außenzelt. Wir halten die Stangen und drücken von innen gegen den Zeltstoff. Doch die nächste Böe löst weitere Heringe aus dem Boden. “Alles einpacken!”, schreit Michi und wir beginnen innen alles zusammenzuräumen. “Die Schlafsäcke zuerst… Regen!”, brüllt Kyra gegen das Tosen des Windes und die Brandung an. Schon stehen wir bibbernd mit dem halb gefalteten Zelt in der Hand auf unserem Tarp im Morgengrauen. Der Wind flacht so schnell ab, wie er gekommen ist. “Was war das?”, fragen wir uns. “Vielleicht eine kleine Windhose?” Wir werden es nicht erfahren. Laut Vorhersage und aktueller Lage weht ein konstanter Wind mit 5 km/h aus Nord. Mittlerweile trifft das auch zu. Wir suchen unsere Heringe zusammen und packen auch das Tarp ein. Hätten wir diesen Wind erwartet, so hätten wir diese vermutlich nicht nur gesteckt, sondern quer vergraben. Zum Glück ist alles gut gegangen. Die Drahtesel stehen gepackt in den ersten Sonnenstrahlen. Wir wollen allerdings noch ein wenig die Gegend erkunden und erklimmen ein paar Felsen. Was für ein Ausblick über die Bucht auf die Wellen. Auf dem Rückweg sehen wir uns noch einen dieser etwas alternativ angehauchten Orte an, wie man sie immer wieder am Jakobsweg findet. Manche werden von Menschen vor Ort geschaffen, andere entstehen durch die Pilger selbst. Diese finden einen Ort besonders schön, hinterlassen einen Stein oder stapeln diese. Weitere Pilger führen dies fort und so bilden sich ganze kleine Camps mit Sitzmöglichkeiten, Kunst und vielem mehr. Hier gibt es Schaukeln und einen “Thron” sowie einen unbezahlbaren Blick auf die Brandung. Doch wir verweilen nicht lange. Wenn wir schon so früh wach sind, dann wollen wir die Zeit auch zum Radeln nutzen. So schwingen wir uns auf die Räder und… fahren zum nächsten Supermarkt, erneut ein Aldi. Da quasi nichts los ist, gehen wir beide hinein und kaufen Gepäck, Milch und Schokodrinks. An der Kasse kommen noch Krokanteier hinzu. “Die bleiben bis Weihnachten zu!”, sagt Kyra in gespielt ernstem Ton oder vielleicht ist er auch gar nicht so gespielt. Als wir den Laden verlassen ist der Himmel strahlend blau. Wir frühstücken windgeschützt, am Wasser und bestaunen weiter die Wellen. So langsam erwacht auch das Leben im Ort. Menschen Joggen oder gehen Gassi und die ersten Pilger passieren uns. Gestärkt rollen wir weiter in die Vororte Portos.

Unzählige Surfer treiben im Wasser. Manche üben noch und haben gerade scheinbar ihre ersten Stunden auf dem Wasser, andere gleiten schon routiniert durch die heranrollenden Wellen. In der Sonne ist es so schön, dass wir einfach eine Pause machen müssen. Wir setzen uns auf eine Bank am Rio Douro und trinken einen Schokodrink, schließen die Augen und lassen einfach die Seele baumeln. Es ist unglaublich, dass es Dezember ist. Dann werden noch die Zähne geputzt und weiter geht’s. Porto begrüßt uns mit viel Verkehr, Menschenmassen und Baustellen. Wenn man die meiste Zeit eher abgelegen unterwegs ist, kann eine Großstadt schon sehr befremdlich wirken. Wie immer haben wir eine grobe Touri Route mit dem Rad durch die Stadt geplant. Diesmal ist diese jedoch äußerst spärlich. Es geht zum angeblich schönsten Buchladen der Welt und durch ein altes Stadtviertel. Doch zunächst bestaunen wir eine alte Straßenbahn und strampeln hinter dieser den Hügel hinauf zum Universitätsgebäude. Neben diesem findet sich der Brunnen Fonte dos Leões sowie die Barockkirche Igrea do Carmo. Diese besuchen wir jedoch nicht, sondern lassen uns von ihrer Fliesenfassade verzücken. Dann schwenken wir zur Buchhandlung Livraria Lello. Der Warteschlange nach sind Bücher der Trend des Jahres 2024. Das stimmt hier allerdings nur bedingt. Das Geschäft weist neben der erwarteten guten Auswahl an Literatur eine besonders schöne Innenarchitektur auf und wurde somit zu einem beliebten Fotomotiv. So beliebt, dass man sogar für den Besuch im Laden Eintritt zahlen muss. Beim Blick auf die Warteschlange und den Eintrittspreis sind wir uns sofort einig. Dafür ist uns insbesondere unsere Zeit zu schade. Wir lauschen lieber einem Straßenmusiker, der einen halben Tierpark dabei hat und französische Musik spielt. Dann beobachten wir das Treiben vor dem Maronen-Stand und der Igreja dos Clérigos. Als das Glockenspiel im hoch aufragenden Turm zu Ende ist, rollen wir die volle Straße mit Blick auf eine weitere Kirche, die Igreja Paroquial de Santo Ildefonso, hinab. Kyra wird bei der Suche nach einer Toilette vom Kellner eines Restaurants ohne weiteren Kommentar abgewiesen. Wir hätten auch einen Kaffee getrunken oder für die Toilette gezahlt. So schieben wir Drahtesel oben vor der Kathedrale an eine Mauer mit einem herrlichen Ausblick über die Altstadt. Zurück geht es vorbei am Denkmal von Vimara Peres, der als Heerführer die Mauren aus dem Douro Tal vertrieb und für die Wiederbesiedlung des Gebiets verantwortlich war. Vorbei an der alten Stadtmauer gelangen wir über die Ponte Luis I ans andere Flussufer.

Natürlich nicht ohne ein paarmal der Metro Platz gemacht und dabei den fantastischen Ausblick auf die engen, verwinkelten Gassen und das Treiben auf dem Fluss genossen zu haben. Auf der anderen Uferseite entdecken wir eine öffentliche Toilette. Nachdem Michi von ihrem Zustand berichtet, hält Kyra weiter an. Wir rauschen durch die Gassen hinab und nach ein paar Umleitungen aufgrund zahlreicher Baustellen hinaus aus der Stadt. Bei einem Burger King springt Kyra noch kurz auf die Toilette. Wir radeln die Küste entlang, bis wir an einen für Räder gesperrten Bretterpfad umdrehen und eine asphaltierte Alternative durch Espinho finden. Aus einem Auto streckt uns eine ganze Familie die Daumen entgegen. Wir winken und müssen grinsen. Den nächsten schön gelegenen Bretterpfad dürfen wir radeln. Es geht geschwind für einige Kilometer im Sonnenschein durchs Schilf und nach einer Brücke hinein in einen Wald. Dann erreichen wir unseren ausgesuchten Rastplatz für heute Nacht. Doch es stehen zahlreiche Autos am Parkplatz und es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Wir reden kurz mit einer deutschen Studentin, die ein Auslandssemester in Porto absolviert. Doch sie muss weiter und war ebenso, denn hier können wor nicht schlafen. Zwei Sandpisten später werden wir fündig. Ein Auto steht am Wegesrand. Der Fahrer nickt uns wohlwollend zu. Wir rollen weiter… verschwinden in einen kleinen Pfad und noch einen und… stehen direkt über dem Sandstrand. Wir blicken auf die Brandung und wissen – hier bleiben wir. Schnell sind das Zelt aufgebaut und ein Mini-Müsli verzehrt. Ein letztes Mal blicken wir in die klare Nacht hinaus und lauschen den rhythmisch anlandenden Wellen, ehe wir einschlafen. Gute Nacht!