Fahrrad-Weltreisetag 191 - Dünenlandschaften (09.12.2024)

Von Quiaios nach Nazaré

Der Wecker klingelt und wir stehen pünktlich auf. Die durch Unbekannte gebastelten Schaukeln aus Strandgut wiegen sich leicht im Wind. Wir packen alles zusammen und rollen knirschend über den staubigen Pfad in Richtung asphaltierter Straße. Mehrere Autos stehen nach einigen 100 m am Wegesrand. Misstrauisch werden wir von Männern gemustert. Die einen vielleicht gerade erwachsen, die anderen der Rente nahe, die meisten in ihren 30ern. Einer dieser ist recht kräftig und lächelt uns schließlich zu. Wir winken, hauchen ein “Bom dia!”, er und die anderen erwidern den Gruß. Was sie dort mitten im Nirgendwo am frühen Morgen machen und warum sie ihre Gerätschaften verstecken, als wir vorbeifahren, bleibt uns verborgen. Wir wollen es eigentlich auch nicht wissen und wollen nicht spekulieren. Also fahren wir weiter und drehen uns nicht mehr um.

An der Straße angelangt ist diese gähnend leer und wir folgen ihr bis zum Ort Quiaios. Nach diesem geht es den Hügel hinauf auf die Bundesstraße. Hier ist schon etwas mehr los und wir verlassen uns auf unsere Weltreise einmal mehr auf die Lichter an den Drahteseln und unsere Warnwesten. Wir erreichen die Abzweigung unbeschadet und verlassen die Bundesstraße. Ein atemberaubende Landschaft aus der Stadt samt Brücke sowie die Dünen und Hügel vor dem Meer eröffnet sich uns. Schon rauschen wir hinab. Der Wind tost um die Ohren, die Haut wird kalt und die Drahtesel kreischen kurz vor jeder engeren Kurve. Wir schießen hinein in Figueira da Foz bis die Straße so eng wird, dass der Verkehr nur abwechselnd durch ein Nadelöhr fließt. Nun manövrieren wir nur noch auf den ersten Stopp des heutigen Tages einen Lidl zu. Der Bauch knurrt und schnell sind die Räder abgestellt. Nach einem schnellen Einkauf frühstücken wir direkt vor dem Laden. Es gibt Joghurt, süßes und herzhaftes Gebäck und Saft sowie Eiskaffee. Wir erblicken bereits die nächste Herausforderung. Im Sonnenschein liegt eine Brücke über den Rio Mondego deutlich vor uns. Der Verkehr braust über sie. “Schauen wir mal… puh einige LKW”, stellt Michi etwas nachdenklich fest. “Laura meinte, dass es schon ging, obwohl laut einem Schild Radfahren verboten ist.”, gibt Kyra zu bedenken. Wir einigen uns, dass wir es riskieren und umdrehen, sobald wir an das Schild gelangen. Denn die Brücke sieht breit aus, sie ist mehrspurig, hat scheinbar einen abgetrennten Fußweg… Wir fahren zurück zur Hauptstraße und biegen in Richtung Brücke ein. Ein Schild verbietet Fußgängern und Pferdegespannen die Auffahrt. “Sind wir nicht”, denken wir uns. Ein weiteres weist auf eine Baustelle hin. “Kennen wir, schaffen wir, hilft vielleicht sogar”, machen wir uns Mut. Eine weitere Abfahrt gibt es nicht. Wir fädeln in den fließenden Verkehr ein, der von einem Autobahnkreuz ähnlichem Geflecht aus Autobahnabfahrt und Bundesstraßen gespeist wird. Es gibt kein zurück mehr. Da taucht ein weiteres Schild vor uns auf. Ein Fahrrad steht in einem roten Kreis. “Das darf doch nicht…”, ruft Michi. Doch das Schild steht neben dem von rechts über die Brücke führenden Fußweg. Sehr gut. Wir rollen auf die Baustelle zu. In der Ferne am Fuße der Brücke sehen wir LKW auf diese fahren. Wir halten kurz abseits der Fahrbahn, verschnaufen und warten, bis diese uns passiert haben. Auf der gesamten Brücke sind wegen der Baustelle 50 km/h und in dieser sogar nur 30 km/h. Als wir den höchsten passieren und die Baustelle hinter uns liegt, beschleunigen wir und aus 15 km/h werden schnell 60 km/h, ehe wir vor dem Kreisverkehr abbremsen und die Bundesstraße verlassen.

Für uns geht es an einem Brunnen vorbei durch einen kleinen Ort. Es folgen weitere. Irgendwann geht uns das Wasser langsam aus. Wir fragen bei einer Frau, die gerade den Garten etwas aufhübscht nach. Ohne zu zögern ruft sie nach innen zu ihrem Mann, dass er vermutlich einen großen Kanister holen soll. Denn nach kurzer Zeit und einem Ruf aus der Wohnung geht sie zur Tür und erscheint mit einem großen Kanister. “Água potável, água potável de boa qualidade, não água da torneira”, sagt sie freundlich lächelnd. Wir verstehen es nicht ganz, aber vermutlich sollen wir das Wasser aus dem Kanister nehmen, da das Leitungswasser hier nicht zu empfehlen ist. Als Kyra das Wasser eingießen will, erschrickt die Frau förmlich. Nein, zuerst müssen unsere Flaschen innen und außen mit diesem aus-/abgewaschen werden. Wir sträuben uns nicht und waschen die Flaschen, füllen sie auf und genießen einen Schluck klares Elixier des Lebens. Es schmeckt vorzüglich, besser als jeder Saft, jeder Softdrink und jegliches Heißgetränk. Wasser ist und bleibt der beste Durstlöscher. Wir bedanken uns, Kyra mit “Obrigada” und Michi mit “Obrigado”. Wir radeln weiter und gelangen in eine weitere Dünenlandschaft. Blanker Sand und Büschchen wechseln sich ab. Sanfte Hügel stehen vor dem Meer, Buchten und traumhafte Sandstrände schieben sich vor die langsam sinkende Sonne. Dann geht es erneut auf die Steilküste hinauf und durch kleine, sehr touristische Orte. Doch neben der Saison sind sie fast wie ausgestorben. Unsere Schlafplatzsuche beginnt.

Wir biegen zum Strand ab und genießen den endlosen Blick über die Steilküste zu den Dünen und hinaus zu den blauen Facetten des Meeres. Der Wind tost und die Camper auf den Klippen wippen leicht. Dementsprechend ziehen wir uns in den Wald zurück. Auch hier sind die Kiefern wieder angeschnitten und ihr Harz rinnt in kleine Becher. Wir finden eine kleine grüne Fläche hinter dem Wäldchen und können halb windgeschützt unser Zelt aufbauen. Wir melden uns noch bei Freunden, die wir unterwegs kennengelernt haben. Sie schlafen mit ihrem Camper ganz in der Nähe an einem kleinen See. Für uns ist der kleine Umweg allerdings nach über 90 km heute zu weit. Ihnen ist zu viel Wind an der Küste und so kriechen wir in unser Zelt und werden uns morgen sehen. Die Windräder in der Nähe blinken durch die Dunkelheit und langsam lässt der Wind nach. Wir kochen, schreiben noch etwas Blog und schlafen ein. Gute Nacht.