Fahrrad-Weltreisetag 193 - Cabo da Roca

Von São Bartolomeu dos Galegos nach Cabo da Roca

Die Temperaturen der Nacht sind verglichen mit denen der letzten angenehm. Nur die Hunde um uns haben uns etwas auf Trab gehalten. Dinos vom benachbarten Saurierpark haben sich jedoch nicht gezeigt. Es raschelt neben uns. Michi denkt, dass jemand durchs Gebüsch geht. Ein Jäger? “Nein, das ist ein Reh”, sagt Kyra überzeugt. Dennoch bauen wir schnell ab und essen noch je eine der gepflückten Orangen. So lecker! Wir schieben durch den Sand zur Hauptstraße und folgen dieser Richtung Meer. Es geht etwas auf und ab und wir finden uns auf Schotter wieder. Bremsend rollen wir hinab und rutschen über größere Brocken und vorbei an ausgewaschenen Becken. Links und rechts von uns erheben sich felsige Hügel schroff gegen den blauen Himmel. Wir folgen einem gut gefüllten Flüsschen, dem Rio Alcabrichel und treffen unterwegs auf die Termas do Vimeiro, die von besonders mineralhaltigen Heilquellen gespeist werden. Nun, neben der Saison, scheint der Ort verlassen zu sein. Wir erkunden ihn ein wenig und folgen weiter dem Fluss. Teilweise überschwemmt dieser sogar den Weg, sodass wir platschend durch das Wasser strampeln. Dann öffnet sich vor uns die Schlucht und wir blicken über die Flussmündung hinaus aufs Meer. Wir finden an diesem herrlichen Ort überdachte Bänke und sogar einen Wasserspender. Perfekt! Schnell sind neben den Bänken die Solarpanele ausgelegt und wir essen unser restliches Brot. Während wir genießen und die Elektronik lädt, fährt auf einmal ein bekannter Camper vorbei. Virginie und Ralf kommen herüber und wir freuen uns erneut ungeplant aufeinander zu treffen.

Sie schenken uns eine Rolle Klopapier und dazu gibt es auch noch zwei Bier. “Danke!”, sagen wir, packen alles ein und unterhalten uns noch gut. Nach einer Weile machen sie sich auf in Richtung Strand und wir falten die Solarpanele zusammen. Wir verabschieden uns und radeln weiter auf der asphaltierten Hauptstraße. Durch den guten Untergrund und die weitgehend flache Straße, können wir die Landschaft genießen und entdecken zahlreiche Mühlen. Wir verlassen die Küste und nach einer Weile ziehen erneut Rauchschwaden durch die Täler hinaus aufs Meer. Wir folgen den Wolken und gelangen zurück zu malerischen Buchten, in denen zahlreiche Surfer die perfekte Welle suchen. Es geht wieder deutlich bergauf und ab. Auf einem Bretterpfad neben der Straße kurbeln wir die Steilküste hinauf und stürzen wieder zum nächsten Surfspot hinab, nur um erneut etwas hinaufzuklettern. Doch der Ausblick belohnt uns. Wir machen eine Pause kleine Pause, essen einen Apfel und beobachten von oben eine Surferin und einen Surfer beim Reiten der Wellen.

Nach insgesamt etwa 45 km erreichen wir Ericeira. Der Ort ist touristisch erschlossen und zahlreiche Menschen laufen im Neoprenanzug und mit Brettern zum Strand oder sitzen in Cafés und genießen den sonnigen Nachmittag. Beständig geht es weiter bergauf, während die Sonne Richtung Horizont wandert. Erschöpft machen wir eine weitere Pause bei einem kleinen Supermarkt und kaufen ein. Es gibt das Nötigste und Eis, Cola, Joghurt und Kakao sowie herzhaftes Gebäck zur Motivation. Dann schwingen wir uns erneut auf die Drahtesel. Nach einer sanften Abfahrt folgen nette Örtchen und einige kleine Anstiege. Der Verkehr wird durch die Uhrzeit dichter und immer wieder überholen uns Autos dicht. Manchmal hupt der Gegenverkehr und gibt Lichthupe. Manchmal hupen die Autos hinter uns. Es ist jedoch die einzige kleine Verbindungsstraße zum Cabo da Roca, dem westlichsten Punkt des europäischen Festlandes. Auch wenn kein Gegenverkehr in Sicht ist überholen manche Autofahrer so knapp, dass man am liebsten aufs Dach klopfen würde. Doch wir fahren weiter brav und konzentrieren uns auf den äußersten Rand der Straße. Da es anfängt dämmrig zu werden, schalten wir unser Licht an. “Die Tasche hängt tief und ich glaube, es geht nicht!”, ruft Kyra von hinten. Denn manchmal rutscht der Packsack mit dem Zelt nach einiger Zeit über ihr Rücklicht, zudem ist der Stecker am Dynamo seit neustem etwas lose. Als schnelle Lösung fährt sie direkt vor Elias. Wir sind ohnehin dank der Warnwesten und zahlreicher Reflektoren an den Taschen sehr gut zu sehen. Dazu blinkt nun Michis Helm nach hinten in rot und Elias Rücklicht leuchtet für zwei. So geht es auf leerer werdende Straßen in Richtung des Kaps. Noch einmal rollen wir auf eine Schotterstraße und dann sehen wir den Leuchtturm. Rhythmisch blinkt uns das Licht im Turm an, als die Sonne gerade hinter dem Horizont versinkt. Es ist keine Wolke am Himmel und so treten sogleich die ersten Sterne hervor. Wir entscheiden uns, gleich zum Schlafplatz zu fahren und das Kap morgen zu besuchen. Es ist niemand mehr unterwegs, außer mehrere junge Erwachsene, die scheinbar alle für das perfekte Foto zu einem nahen Strand hinabgeklettert sind. Nun kommen sie in der Dunkelheit den steilen steinigen Pfad hochgeklettert. Zwei Französinnen stehen etwas ratlos auf dem Schotterplatz, als wir gerade unser Zelt aufbauen. Sie fragen uns, wo denn die nächste Straße sei und ob es weit wäre. Wir sind irritiert und Michi erklärt ihnen, dass sie nur dem Schotterweg folgen müssen und nach etwa einem halben Kilometer zu einer asphaltierten Straße kommen werden. Allerdings ist dort nichts, das Restaurant am Kap bereits geschlossen und der nächste Ort ebenso ein paar Kilometer entfernt. “Ok, so 500 m. Will we make it in five minutes?”, fragt die eine zögerlich. Michi gibt zu verstehen, dass er denkt, dass es auf und ab geht und er denkt, dass man zu Fuß auf diesem Untergrund dazu im Dunkeln länger brauchen wird. Die beiden bedanken sich und tapsen ohne Licht in die Dunkelheit davon. Kyra ist etwas besorgt, dass sie den Weg nicht finden und wo sie dann hinwollen, da dort ja tatsächlich nur die leere Straße wartet. “Die haben ein Smartphone, sie haben es wie auch immer hierher geschafft, sie sind erwachsen und vielleicht werden sie vorne ja abgeholt”, versucht Michi sie zu beruhigen. Doch auch er ist etwas verwundert, dass man ohne Licht und Orientierung abends an der Steilküste wandert. “Sie müssen nur diesem Weg folgen und es sind ja auch Busse auf der Straße gefahren. Vielleicht wollen sie auch zur Bushaltestelle?“, ergänzt er. Wir bauen weiter das Zelt auf. Der Lichtkegel schweift vom Kap her periodisch über die Landschaft. Wir stellen uns oben an die Klippen, öffnen ein Bier und blicken hinaus in die Dunkelheit. Nach dem nördlichsten Punkt vor zwei Jahren stehen wir nun mit unseren Drahteseln hier, gleich neben dem Cabo da Roca, dem westlichsten Punkt des europäischen Festlands. Wir fallen uns in die Arme, genießen das Bier und genießen den Moment. Dann kriechen wir in das Zelt. Morgen werden wir noch die paar Meter zum Kap rollen, doch für heute heißt es “Gute Nacht!”.