Tag 138 - Le Havre (17.10.2024)
Von Le Havre nach La Baie
Wir erwachen früh bei Ben und Vien Zuhause auf, denn wir sind zum Frühstücken verabredet, bevor die beiden zur Arbeit müssen. Wir packen schnell unsere sieben Sachen zusammen, ziehen uns an und gehen die Treppe hinunter. Hund Naomi begrüßt uns weiterhin freundlich und bellt noch immer nicht wieder. Ben macht uns bereits einen Kaffee und wir bekommen Baguette hingestellt. Dazu gibt es Marmelade und Käse. Wir genießen unseren Kaffee und reden nur noch kurz, denn der morgendliche Alltag hat wahrscheinlich alle, bis auf uns, im Griff. Dies wird uns besonders bewusst, als wir das Haus verlassen und viele Menschen gehetzt zur Arbeit laufen sehen. Vien verlässt als erstes das Haus, wir folgen mit Ben. Zum Abschied verspricht uns Ben, dass er bei Freunden und Bekannten fragen wird, wo wir vielleicht schlafen dürfen. Er möchte uns dazu eine Liste schicken. Was für eine tolle Idee! Wir sind ihm sehr dankbar. Nach der Verabschiedung fahren wir los und möchten zunächst den Ort besuchen, wo wir gestern Abend beim Gassi gehen waren. Der Ausblick bei Nacht über Le Havre war mit all den Lichtern und Mond so schön! Wie sieht es dann erst bei Tag aus? Wir brauchen kurz um den Weg zu finden, doch dann taucht der Botanische Garten vor uns aus und wir wissen, hier sind wir richtig. Gegenüber des Botanischen Gartens ist der kleine Hügel. Wir gehen hinauf und erblicken die Stadt. “Da geht es nun runter!”, stellt Kyra zufrieden fest und Michi nickt. Wir verweilen nicht lange, sondern machen nur schnell ein Foto und gehen zu den Drahteseln zurück.
Vien hat uns eine kleine Liste hinterlassen, auf welcher einige Orte in Le Havre aufgelistet sind, die wir besuchen können. Der erste Ort ist eine Bäckerei. Wir machen uns auf den Weg dorthin und genießen die Abfahrt, mit dem Wissen, dass wir nun die weißen Kreidefelsen verlassen, in die Stadt. Es ist bereits einiges los, doch wir kommen mit den Fahrrädern gut durch die Stadt. Frankreich überrascht uns immer wieder mit einer gut ausgebauten Radinfrastruktur. An vielen Ecken entdecken wir Kunstwerke. Diese sind überbleibsel von dem 500-jährigen Stadtjubiläum im Jahr 2017. Auf dem Weg zum Bäcker finden wir ein Haus, welches gerade einmal ein paar Zentimenter breit ist. Uns fällt jedoch auch die Architektur der Stadt auf. Le Havre erlitt im zweiten Weltkrieg schwere Zerstörungen, weshalb die Stadt neu aufgebaut werden musste. Nach den Plänen des Architekten Auguste Perret wurde die Stadt zwischen 1945 und 1954 in moderner Betonarchitektur wieder aufgebaut. Im Juli 2005 wurde das Stadtensemble zum Weltkulturerbe ernannt. Noch bevor wir die Bäckerei, die Vien uns empfohlen hat, erreichen, riechen wir den Geruch von frischem Brot. Wir folgen diesem und stellen unsere Fahrräder gegenüber des Geschäftes ab. Da der Himmel mit Wolken bedeckt ist, drängt uns die Kälte nach innen. Der freundliche Herr hinter dem Tresen spricht nur wenig englisch und so kommt der Inhaber bzw. Bäcker selbst hinzu. Wir bestellen von den drei verschiedenen Sorten Cookies jeweils einen, diese wurden uns besonders empfohlen, sowie einen Kaffee für jeden. Als der Bäcker mitbekommt, dass wir mit dem Fahrrad da sind und bereits eine lange Strecke hinter uns haben, schenkt er uns einen Brioch zum probieren. Wir bedanken uns und setzen uns an den nächsten Tisch. Sein Angestellter bringt uns alles zum Platz. Der Kaffee ist gut, der Brioch noch besser und die Cookies köstlich. Beim Naschen quatschen wir noch kurz weiter, bis er zurück in die Backstube muss. Kurz darauf kommt er jedoch nochmal raus und schenkt uns ein kleines, aber sehr schweres und gehaltvolles Brot. Es besteht aus unterschiedlichem Getreide und wir erkennen Buchweizen an der Kruste. Es sieht einfach lecker aus und wir können es kaum erwarten die erste Scheibe zu probieren. Damit uns dies auch gut gelingt, bekommen wir das Brot noch schön geschnitten. Erneut bedanken wir uns herzlich und kaufen uns noch zwei Croissants zum probieren. Schließlich sind wir auf der Suche nach den besten Croissants in Frankreich. Vielleicht finden wir sie hier? Doch schnell müssen wir erkennen, hier gibt es wahrscheinlich das beste Brot Frankreichs, jedoch nicht die besten Croissants. Wir genießen den Rest unseres Festmahls und verabschieden uns schließlich. Als wir bereits draußen sind und mit den Drahteseln am Geschäft vorbeifahren, wird uns von innen kräftig hinterher gewunden. Unglaublich nett! Es ist immer wieder für uns eine Ehre, wenn Menschen ernsthaft interessiert sind. Nun wollen wir die St. Joseph Kirche von Le Havre besuchen. Dafür fahren wir zurück in die Innenstadt und parken die Fahrräder vor der Kirche. Diese sieht von außen nicht wirklich beeindruckend aus, zudem passt sie sich dem Stadtbild perfekt an, da sie ebenfalls von Auguste Perret entworfen wurde. Aus Sorge um die Drahtesel betreten wir die Kirche nacheinander. Zunächst geht Kyra hinein. Mit einem großen Strahlen auf dem Gesicht kommt sie zurück. “Das hätte ich nicht gedacht! Die Lichtstimmung drinnen ist einfach magisch, aber guck selbst.”, sagt sie und zeigt Michi ein Foto. Mit großen Erwartungen betritt er die Kirche und kommt ebenso begeistert zurück. “Dein Foto ist auch total schön! Kannst du das nochmal mit der guten Kamera machen?” fragt er Kyra. Somit geht Kyra noch ein zweites Mal hinein und macht ein paar Fotos.
Anschließend geht es weiter. Am Wasser wartet die Skulptur “Catène de Container”. Auch diese wurde 2017 anlässlich des 500. Geburtstags aufgestellt. Der Künstler ist Vincent Ganivet. Die Skulptur besteht aus zwei Containerbögen, wobei der eine den anderen überbrückt. “Es ist eine doppelte Anspielung zum einen auf das verwendete Bauprinzip der Kette und zum anderen auf die Lieferkette, in deren Reihe sich auch die Container und letztlich der Hafen befinden.” Wir versuchen ein schönes Foto in der Mitte der Containerbögen zu machen, doch das gelingt uns nicht auf Anhieb. Es ist zunächst ein bisschen schwer die Mitte ausfindig zu machen und dann will das Handy nicht so wie wir. Doch am Ende gelingt es uns, bzw. sind wir zufrieden. Am Ende der Straße fahren wir über eine kleine Brücke und erreichen den Fischmarkt. Hier ist in diesem Moment zwar nicht viel los, doch wir können sehen, wie einige Leute Scallops/Kammmuscheln, öffnen. Einige Kisten sind mit den leeren Schalen gefüllt. Direkt daneben ist ein von Vien vorgeschlagenes Café und Bar. Da wir jedoch noch so voll von der Bäckerei sind, geht Michi hier nur schnell auf Toilette. Das Lokal sieht toll aus, doch uns sieht der Weg nun aus der Stadt heraus. Das ist leichter gesagt als getan. Eine ganze Weile folgen wir einer viel befahrenen Straße.
Überall sind LKWs, die Container transportieren. Es ist unwahrscheinlich laut. Manche LKW Fahrer*innen scheinen sich zu erkennen und hupen, wenn sie einander vorbei fahren. Zum Glück haben wir einen separaten Fahrradweg, sonst wären wir wahrscheinlich zwischen den zahlreichen Riesen aufgeschmissen. Als wir die Brücke über die Seine in der Ferne erblicken, machen wir eine kurze Pause. Und auch uns wird von einem LKW-Fahrer winkend zu gehupt. Wir winken zurück. Als uns bereits die Ohren dröhnen, fahren wir weiter. Schnell ist der Anfang der Brücke erreicht, doch… “Oh, nein! Meine Sonnenbrille!” ruft Kyra Michi hinterher. Es hilft nichts. Die Brille liegt wahrscheinlich noch am Pauseplatz und Kyra muss umkehren. Doch weit muss sie nicht fahren. Ein anderer Radfahrer, der uns entgegenkam, hat die Brille in der Hand und hat extra gedreht, um Kyra diese entgegen zu bringen. Wie lieb! Er spricht leider kein englisch, dreht sich schnell wieder um und ist mit einem netten lächeln im Gesicht verschwunden. Für uns heißt es nun die Brücke zu überqueren. Relativ steil geht es hinauf, doch wir haben Glück, denn die rechte Autospur ist gesperrt. Eine Baustelle ist zunächst jedoch nicht in Sicht, weshalb wir mit Emil und Elias die gesamte Spur für uns haben. Oben angekommen müssen wir nur kurz auf die viel befahrene zweite Spur ausweichen, da der Boden ausgebessert wird. Anschließend können wir zurück auf den gesperrten Streifen und rollen in hoher Geschwindigkeit die Brücke hinunter. Eine weitere kleine Pause machen wir beim Lidl und fahren in die wunderschöne Stadt Honfleur. Die Häuser insbesondere am Hafen sehen traumhaft aus und wir könnten an dieser Stelle Stunden verbringen. Wir kommen aus dem Staunen und Umschauen gar nicht mehr raus, doch dann ist die Stadt vorbei und wir befinden uns auf der Straße “Route de Trouville”. Ein Schild nach links zeigt den Weg zu einem Apfelwein verkauf. Michi dreht sich um und ruft von vorne: “Wollen wir?” und Kyra ruft laut “Jaaaaa”. Zwei Minuten später stehen wir im kleinen Hofverkauf und kaufen einen Apfelsaft sowie Cidre. Dann folgen wir weiter der Straße. Es geht rauf und runter, dabei durch kleine Orte mit wunderschönen Villen. In Deauville überqueren wir kurz einen Wasserlauf und kommen anschließend ans Meer. Dann folgen wir wieder der Straße und werden steil ins Landesinnere geführt. Rasant geht es hinab. Unser Weg führt uns zu einem kleinen Parkplatz, wo wir gehofft hatten, etwas versteckt einen Schlafplatz zu finden. Doch diese Hoffnung zerschlägt sich sofort. Wir essen jeder einen Joghurt und die Fahrt geht weiter. Die Sonne steht bereits bedrohlich tief und der Sonnenuntergang steht kurz bevor. Unser neues Ziel ist ein Gebiet mit dem Namen Baie de L’orne, wo wir hoffentlich etwas finden. Als wir dort ankommen, weisen Schilder darauf hin, dass Zelten verboten ist. Mit einem mulmigen Gefühl fahren wir durch die enge Fahrradstraße. Doch dann finden wir etwas versteckt einen Vogelaussichtspunkt, der überdacht ist und genügend Platz für uns mit den Schlafsäcken bietet. Wir entscheiden uns spontan ohne Zelt hier zu schlafen. Während Michi Spaghetti kocht, baut Kyra das Nachtlager auf. Plötzlich ist es taghell. Die Gaskartusche, die Michi soeben noch in der Hand gehalten hat, hat Feuer gefangen. In Sekunden ist das gefährliche Spektakel zum Glück auch wieder vorbei. Michi zieht die Gaskartusche vom Kocher weg und pustet diese aus. Wir beide gucken uns an und haben einen großen Schock. Zum Glück sind die Nudeln auch fast fertig und somit können wir die Gaskartusche bald weg packen. Anscheinend ist diese undicht oder der Adapter funktioniert nicht richtig. Wir genießen die Nudeln, kuscheln in den Schlafsack und schlafen unterm Sternenhimmel mit einem wunderschönen Mond ein. Gute Nacht!