Tag 150 - So ein Mist (29.10.2024)
Von Théhillac nach La Raitrie
Um 4 Uhr wacht Michi auf und muss auf Toilette. Dichter Nebel umgibt unser Zelt und in der Ferne hören wir das Rufen der Bisamratten. Anschließend fällt das wieder einschlafen schwer und Michi schreibt offline am Blog. Irgendwann schläft er doch wieder ein, doch wir erwachen beide früh am Morgen. Wir frühstücken im Zelt und anschließend fallen uns nochmal die Augen zu. Es ist einfach noch zu dunkel und kalt draußen. Plötzlich Schrecken wir hoch, kommt da ein Traktor? Fehlalarm, zum Glück. Trotzdem wird es Zeit aufzustehen und abzubauen. Im weiterhin dichtem Nebel fahren wir los. Wir haben gute Laune und freuen uns heute wieder ans Meer zu kommen. Im ersten kleinem Ort finden wir eine Bäckerei und besorgen uns zwei Croissants, die wir am Ortsausgang genießen. Es folgt ein schönes Wasserschloss, das Château de la Bretesche, welches hinter einem Teich im Nebel emporragt. Es sieht wahrlich majestätisch aus. Nebenan befindet sich ein Hotel und Golfplatz. Wir bewundern alles nur von der Ferne und fragen uns mal wieder, wie das Leben hier wohl früher war? Wie groß die Ländereien gewesen sein mussten und wofür man diese genutzt hat? Es bleibt ein Rätsel und vielleicht deshalb für uns so beeindruckend. “Oh man! Mein Vorderrad! Es wackelt wieder!” stellt Michi entsetzt fest. Die Stimmung kippt sofort aus Sorge, dass der neue teure Dynamo auch kaputt geht. Doch wir können nichts machen, es scheint alles in Ordnung und so fahren wir weiter in den Parc naturel régional de Brière. Bereits häufig haben wir Moor gesehen, doch das ist das erste Mal, dass wir Sumpf sehen. Sumpf soweit das Auge reicht. Alles steht unter Wasser. Michi muss sofort daran denken, dass früher Menschen in den Sumpf geschickt wurden. Wie grausam! “Hier würden wir verhungern und die ganzen Infektionen, die man sich holt”, überlegt Michi laut. Wir fahren eine ganze Weile durch die kahle Gegend, bis vor uns eine Stadt auftaucht. Sie ist genauso hübsch, wie man sich eine Stadt im Sumpf vorstellt. Die Häuser wirken verlassen und wie aus einer anderen Zeit. Nur vereinzelt stehen neue und moderne Häuser dazwischen. Ganz anders, als wir Frankreich bisher kennengelernt hatten. Einige ältere Menschen gucken aus Fenstern oder sitzen in den Vorgärten. Auch viele junge Menschen sehen wir am Vormittag zu Hause rumlaufen. So abgeschieden wahrscheinlich kein Wunder. Ganz in Gedanken versunken macht es plötzlich: Rumps. Kyra liegt am Boden. “Den habe ich gar nicht gesehen!”, sagt sie erschrocken. Michi Der vorne fährt, hatte aus Kyras Perspektive einen Poller verdeckt, in welchen sie reingerauscht ist. Zum Glück ist jedoch nichts weiter passiert. Also rappelt sich Kyra auf und wir fahren wenige Meter weiter. Ein Aussichtsturm ragt neben uns in die Höhe. Den kann sich Michi nicht entgehen lassen und läuft die Treppenstufen hoch, während Kyra unten wartet und sich noch vom Schock erholt. Oben angekommen genießt Michi die Aussicht und macht ein paar Fotos. Wir winken uns kurz, als wir uns gegenseitig auf Entfernung sehen.
Doch schnell ist Michi wieder unten und fahren wir weiter. Bereits in der Ferne können wir die Brücke St. Naizere sehen. Ein super Radweg führt uns dort hin, doch die Umgebung, welche von Industrie geprägt ist, fühlt sich unangenehm an. Eine Wohnmobilsiedlung befindet sich neben uns, auf öffentlicher Straße. Die Besitzer zeigen sich irgendwelche Sachen und diskutieren miteinander. Wir fahren lieber schnell weiter, erreichen die Brücke umd sehen das Meer. Sehr nah am Autoverkehr überqueren wir diese. Wir dürfen nicht zu schnell fahren, da sonst der Windschatten der LKWs zu gefährlich wird und einen zur Seite zieht. So lassen wir uns beim herunterfahren Zeit. Unten angekommen jubeln wir, denn wir sind zurück auf dem Eurovelo 1.
Es wird Zeit sich eine Bank mit Blick aufs Meer zu suchen und ein wenig zu feiern. Zwar nicht die Rückkehr auf den Eurovelo, aber dafür ein kleines Jubiläum. Heute sind wir bereits 150 Tage unterwegs. Wir finden eine Bank im Sonnenschein und breiten zunächst Zelt und Plane zum Trocknen Aus. Es ist so warm, dass wir im T-Shirt da sitzen, während einige Radfahrer*innen und Spaziergänger*innen um uns herum dicke Jacken und Handschuhe an haben. Wir müssen lachen. Haben wir durch unseren kalten Sommer so ein anderes Wärmeempfinden? Wir beobachten die Menschen am Meer und die Wellen, wie sie auf den Strand treffen. Es ist einfach traumhaft. Nach einigen Minuten sind alle Sachen getrocknet Und der Jubiläumskuchen gegessen. Wir fahren weiter und fühlen uns durch die Wärme und samtfarbenen Häuser plötzlich im Süden angekommen. Ein richtig südlicher Flair umgibt uns. Als hätte die Beücke einen neuen Abschnitt eingeleutet. Als wir weiterfahren muss Michi plötzlich vor einer kleinen Brücke abbremsen und Kyra kommt knapp hinter ihm zum Stehen. Doch Emil ist zu schwer und droht zu kippen. Kyra hält Emil mit aller Kraft und Michi möchte schnell zur Hilfe eilen. Als er gerade da ist und wir Emil aufrichten, kippt dafür Elias um. “NEIN! Mist, mein Ständer ist gebrochen”, stellt Michi sauer fest. “Hätte ich Emil mal einfach fallen lassen… Dann wäre wahrscheinlichnichts passiert.”, entschuldigt sich Kyra. Doch keiner kann etwas dafür und wir müssen uns damit abfinden. Also fahren wir weiter durch Viertel mit Sommerhäuschen, die aktuell leer stehen und auf den Start der nächsten Saison warten.
Trotzdem sind viele Menschen am Wasser unterwegs.ei Eine ältere Frau ist mit ihrem Elektromobil/E-Scooter unterwegs. Wir sehen sie gerade noch die Steigung hochfahren, da kippt sie mit dem Gerät in dem Graben und liegt auf dem Boden. Zwei Personen eilen zur Hilfe, doch weitere Hände können gebraucht werden, weshalb Michi, der als erster dort ist, Elias auf den Boden legt und hilft. Die Frau bedankt sich und wir fahren weiter. Ein Mountainbiker überholt uns und zeigt uns einen Daumen. Wir folgen ihm einen schmalen Weg entlang, der zur Hälfte durch viel Regen weggespült wurde. Dann wird es Zeit zur Schlafplatzsuche. Wir haben auf der Karte einen kleinen Strand entdeckt, welchen man nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann. Das könnte perfekt sein. Wir radeln den kleinen Weg zum FKK Strand entlang . Die Bucht ist wunderschön und nur noch ein paar Fußgänger sind da. Wir warten die Situation etwas ab und schauen uns um, wo wir das Zelt aufbauen könnten. Schnell wird klar, dass wir gerne oben auf den Klippen schlafen möchten, dies ist jedoch nur unter freiem Himmel möglich. Während wir noch überlegen, wie wir die Fahrräder da hoch bekommen, kommen zwei Wanderer vorbei. Die beiden sprechen uns an und Wir kommen im ein kurzes Gespräch. Das Paar ist für ein Wochenende unterwegs und hat ebenfalls ein Zelt dabei, mit welchem sie Wildcampen. Riviere kommt ganz aus der Nähe und Bieter uns an, dass wir bei ihm schlafen könnten, falls wir durch seine Stadt fahren. Leider liegt diese nicht auf unserer Route, aber trotzdem gibt er uns seine Nummer. Wir sind dankbar und freuen uns sehr über die Einladung. Als die beiden weitergehen, packen wir die Esel ab und tragen alle Taschen die Klippe hinauf. Am Ende folgen die Drahtesel. Wir verstecken alles etwas hinter Gebüsch und wollen Im Sonnenuntergang noch eine Kleinigkeit essen, da bemerkt Michi: “Unser Besteck und dein Messer ist weg! Wie konnte das nur passieren?” Wir suchen alles ab, doch beides taucht nicht mehr auf. Wahrscheinlich ist es aus der offenen Tasche gefallen, als Michi Elias abgelegt hatte, um der älteren Dame Mit dem E-Scooter zu helfen. Es wird bereits dunkel, doch Michi möchte unbedingt lis und die circa 7 km zurück fahren. “Das ist im Dunkeln bei dem Untergrund viel zu gefährlich!” protestiert Kyra. Wir diskutieren eine Weile und verschieden die weitere Aussprache auf morgen, da es mitlerweile tatsächlich dunkel geworden ist. Mit gereizte Stimmung bauen wir in einer traumhaften Kulisse unser Nachtlager auf. Obwohl für die Nacht kein Nebel angesagt war, zieht dieser langsam vom Meer kommend auf. Die Luft wird immer feucgtee und auch unser Nachtlager kamn sich davor nicht verstecken. Wir genießen noch kurz die Aussicht, bis alles in weiß und schließlich schwarz gehüllt ist. Michi telefoniert noch kurz mit seiner Schwester und anschließend schlafen wir mit etwas besserer Laune unterm Himmel ein. Gute Nacht.