Tag 170 - Zu viert (18.11.2024)
Von Burgos nach Frómista
Das leise Schnarchen und laute Atmen wird plötzlich unterbrochen. Ein Schlafsack wird aufgezogen und eine Person läuft durch den Schlafsaal. Sie geht nach unten und holt sich mit einem lauten “Dong” ein Getränk aus dem Automaten. Ein zweiter Schlafsack wird geöffnet und einige Minuten später hört man die Dusche laufen. Wir liegen still da und können kaum fassen, dass die ersten bereits um 5:30 Uhr aufstehen. Eine ganze Weile hören wir, wie andere Reißverschlüsse benutzen und Schlafsäcke einpacken. Schließlich stehen auch wir auf, denn an schlafen ist nicht mehr zu denken. Wir nehmen all unsere Sachen und gehen die Treppe runter. Dort packen wir alles ein. Wir brauchen dafür diesmal eine ganze Zeit, da die zum Glück trockene Wäsche von gestern ebenfalls eingepackt werden muss. Das Zelt ist leider über Nacht nicht getrocknet, aber das macht nichts. Wie schön, dass alle Anziehsachen frisch riechen. Unten ist ebenfalls die italienischen Gruppe und diese sind obwohl viele andere noch versuchen zu schlafen, richtig laut. Als um 6:45 Uhr die Tür geöffnet wird und sie raus gehen, ist es auf einen schlag wieder still. Die anderen Pilger kommen nach und nach runter, während wir Müsli frühstücken. Dann wird es Zeit. Es ist fast 8 Uhr und wir müssen langsam los. Draußen vor der Tür stehen wir noch kurz mot den anderen drei Radfahrern, doch eine Dynamik zusammen zu fahren entsteht nicht. Wir verabschieden uns und verlassen die Herberge. Auch die Stadt Burgos lassen wir relativ schnell hinter uns. Das herausfahren geht schneller als hinein. Dabei überholen wir einige Pilger der letzten Nacht, winken und wünschen “buen Camino”. Dann sind wir plötzlich im Nebel und zwischen Feldern allein. Der Moment ist nur kurz, denn der Nebel löst sich auf und auf der rechten Seite sehen wir in einer Picknick Area plötzlich ein uns bekanntes Fahrrad. Arsene steht da und winkt uns. Was ein Zufall! Wie schön ihn wiederzusehen. Und er ist nicht allein. Bei ihm ist ebenfalls ein Radreisender, welcher sich als Nicolas vorstellt. Die beiden haben sich vor ein paar Tagen kennengelernt und vorgestern zufällig wiedergetroffen. Gerade sind die beiden dabei ihr Zelt bzw. ihre Hängematte abzubauen und wir warten bis sie fertig sind. Dann fahren wir zu viert weiter. Es ist schön in so einer großen Gruppe zu fahren. Die Kilometer fliegen beim Erzählen nur so dahin. Selbst jeder Hügel und Gegenwind erscheinen wesentlich leichter. Als wir einen Hügel gerade erklommen haben, bleiben wir stehen, um ein Foto gemeinsam zu machen. Michi packt Fridolin, unsere Drohne aus, und lässt diesen steigen. Zunächst machen wir ein Foto zusammen, dann filmt Michi, wie wir anderen drei den Berg hinunter rauschen.
Im nächsten Ort entdecken wir ein kleines Café einer Herberge, wo wir eine weitere Pause einlegen, um einen Kaffee zu trinken. Wir essen zudem ein Baguette, welches reichlich belegt ist und super schmeckt. Dabei begegnen wir anderen Pilgern, die aus mehreren Ländern kommen. Es ist ein Deutscher dabei und auch zwei Franzosen. Kurz sprechen wir jeweils auf unseren Muttersprachen, bis die Pilger weiterziehen und wir noch in Ruhe unseren Kaffee beenden. Dann geht es auch für uns weiter. Wir fahren über viele Schotterwege und Wege mit losen Steinen. Dann umrunden wir einen Hügel und fahren erneut bergauf. Ein Supermarkt auf dem Weg ist zu klein und wir suchen nach einem größeren. Leider ist auch der nächste nicht viel größer, doch wir finden alles was wir brauchen und machen bei der nächsten Bank eine Pause. Anschließend fahren wir gegen den Wind noch weitere 30 Kilometer, bis wir bei Fromista einen guten Schlafplatz finden. Da die Stadt nicht weit ist, fahren wir für einen weiteren Supermarkt besuch hinein, doch der rausgesuchte Supermarkt ist geschlossen.
Stattdessen finden wir einige Pilger vor einer Bäckerei sitzen, die uns ansprechen. Viktoria kommt aus Litauen, Alberto aus Spanien, Ignatz aus Spanien und Helga aus den Niederlanden. Helga ist von unserem vier Fahrrädern begeistert und macht für ihre Freunde zu Hause gleich ein Foto. Sie ist nicht zum ersten Mal auf dem Camino unterwegs, sondern hat schon viele angefangen. Da sie von unseren Geschichten und Reisen fasziniert ist, lädt sie uns auf einen Kaffee und ein zu bleiben. Das können wir natürlich nicht ablehnen. Während Michi mit Helga in der Bäckerei den Kaffee bestellt, erzählt Kyra Alberto: “Der Camino war von Anfang an in unsere Tour eingeplant. Es ist ein ganz besonderer Abschnitt, denn manchmal verlieren wir die Motivation und denken ans Abbrechen, doch hier auf dem Camino, kommt die Motivation zurück. Wir lernen und erfahren Nächstenliebe und Freundschaf.” Alberto ist ganz aufgeregt uns überträgt die Worte aufs gesamte Leben. Er ist berührt und bedankt sich. Was für ein toller Moment. Wir genießen zusammen den Kaffee und reden weiter über persönliche und belanglose Themen. Kurz bevor Alberto, Viktoria und Ignatz gehen, erfahren wir noch das morgen der Geburtstag von Ignatz ist. Wir wünschen ihm alles Gute. Kurz reden wir noch mit Helga, doch dann wird es Zeit zum Schlafplatz zurück zu fahren. Die Dunkelheit bricht bald ein. Auf dem Rückweg hat lustigerweise der Supermarkt nun geöffnet. Wir kaufen Bier, Chips und etwas Süßes, um zu viert dem Abend zu Feiern. Morgen werden sich unsere Wege trennen, da die beiden in Richtungen Süden weiterfahren. Wir bauen somit genau an der Stelle, wo wir uns aufsplitten die zwei Zelte uns eine Hängematte auf. Anschließend gibt es im bereits Dunkeln essen. Wir testen verschiedenes Bier und haben einfach einen tollen Abend. Ganz als wäre man zu Hause unter alten Freunden. Als wir zwei im Zelt liegen, bemerken wir erst, wie gut uns der Abend getan hat. Es ist traurig, dass die beiden morgen einen anderen Weg einschlagen, doch wir werden die gemeinsame Zeit und Erfahrungen nicht vergessen. Gute Nacht.