
Tag 282 - Gesperrte Straße
Fahrrad-Weltreise: San Severino nach Castrocuco
10.03.2025
Die Lampen, die die alte Eisenbahnbrücke anstrahlen, leuchten noch immer, als wir mitten in der Nacht erwachen und schnell auf Toilette gehen. Es ist jedoch sehr ruhig. Wie bereits letzte Nacht, hören wir nur das Rauschen des Baches. Die Straße neben uns ist ebenso im tiefen Schlaf versunken. Kein Auto wagt sich hinüber. Schnell schlafen wir wieder ein und erwachen erst am nächsten Morgen. Auch wenn unser Zelt wieder einer Tropfsteinhöhle gleicht, ist es im inneren gemütlich. Wir kuscheln uns nochmals ein und ziehen uns erst nach einer Weile um. Draußen ist es kalt und nass, obsolet der Himmel komplett blau ist. Der Bach mit seinem kühlen Wasser scheint jedoch für die hohe Luftfeuchtigkeit zu Sorgen. Im Pulli frieren wir leicht, doch mit der nötigen Bewegung klappt es ganz gut. Als alles fertig verstaut ist, frühstücken wir auf der selben Bank, auf der wir gestern Abend bereits gegessen hatten. Wir entdecken frische Wildschweinspuren und sind froh, dass wir die Wildschweine in der Nacht nicht mitbekommen haben. Nur einmal kurz dachte Kyra etwas gehört zu haben, doch zu Laut war das Rauschen vom See. Nach dem entspannten Frühstück müssen wir nacheinander die Drahtesel hochschieben. Zuerst ist Emil dran, dann folgt Elias. Es ist gar nicht so einfach, denn der Weg hoch zur Straße ist schmal und steil. Erschwerend kommt hinzu, dass Stufen verbaut sind. So müssen wir immer wieder erst das Vorderrad und dann das Hinterrad anheben. Doch die Mühen wurden bereits durch den angenehmen Schlafplatz entlohnt. Unsere Route startet nun erstmal bergauf. 600 Höhenmeter am Stück erwarten uns. Dabei gibt es einiges zu sehen. Bereits nach kurzer Zeit fahren wir durch Dörfer. Wir können Häuser und das Leben drumherum bewundern. Dabei entdecken wir Menschen auf Balkonen, winken Füßgänger*innen oder bewundern die flatternde bunte Wäsche an den Hauswänden. Bisher war es in allen Südeuropäischen Ländern üblich, dass an den Häusern in jeder Wohnung Wäscheleinen vor den Fenstern verbaut sind. Aber auch wir werden gemustert und beobachtet. Uns werden Daumen gezeigt, wir werden angefeuert und angehupt. Angehupt werden wir seit Italien sowieso minütlich. Mal als Gruß, mal als Zeichen des Respekts oder der Freude, mal als Zeichen zur Überholung und nur selten aus Wut und zum Meckern. Der Straßenverkehr ist hier nun mal anders, als wir es gewohnt sind, doch so langsam haben wir uns daran gewöhnt.



Während wir die letzten Meter hinauf fahren, sehen wir auf dem Berg nebenan ganz an der Spitze ein Dorf bzw. eher eine kleine Stadt. Das sieht kurios und nett zugleich aus. Als wir gerade noch überlegen ein Foto zu machen, biegen wir rechts ab und die steile Abfahrt beginnt. “Zum Glück kamen wir nicht aus dieser Richtung”, freut sich Kyra laut. Wie häufig haben wir uns das schon gedacht! Doch fast genauso häufig unterschätzt man seine eigene Leistung und ist eine ähnliche, gleiche oder schlimmere Steigung hinauf gefahren. Doch diesmal hatten wir wirklich Glück. Als wir unten angefangen, erreichen wir wieder das Meer. Mit schönen Ausblicken folgen wir der Hauptstraße am Meer entlang nach Sapri. Hier wird es Zeit für eine Pause. Wir suchen einen Supermarkt auf und setzen uns mit den Einkäufen für eine Mittagspause ans Meer. Während wir naschen trocknet unsere Wäsche in der Sonne. Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit der letzten zwei Nächte war sie bisher nicht ganz trocken geworden. Nun ist es jedoch geschafft und wir können die Anziehsachen wieder gut in den Taschen verstauen. Es geht weiter und sofort beginnen erneut Höhenmeter, doch die Straße entlang der Klippen mit Blick auf das weite Meer ist ein Traum. Zudem wird die Straße kaum befahren. Manchmal sind wir viele Minuten komplett allein. Doch immer wieder treffen wir uns auf Baustellen, wo der Verkehr durch eine Ampel geregelt wird. Bei Maratea ergibt sich ein letztes Mal die Küstenstraße Ss18 zu verlassen und einen Umweg über die Berge zu nehmen. Vielleicht wäre es eine gute Idee, da die Straße an späterer Stelle gesperrt sein soll, doch wir gehen das Risiko ein. Komoot schläft uns für den Notfall eine Alternative über einen Wanderweg vor. Mal gucken, was das wird.. Wir folgen der Hauptstraße weiter bergauf und bergab, bis vor uns eine Absperrung auftaucht und auch unsere Komoot-Alternative ist gesperrt. Mist! Nach rechts geht eine weitere Straße ab, die vielleicht zu unserem Wanderweg führt, doch ganz spontan hören wir auf unser Bauchgefühl und quetschen uns an der Blockade auf der Hauptstraße vorbei. Unser Bauchgefühl täuscht uns nicht. Nur kurze Zeit später sehen wir 5 Frauen die Straße hinunter laufen. Auf unsere Nachfrage, ob man vorbei kommt, rufen sie: “passable” Wir bedanken uns und können unser Glück kaum glauben. Während wir der Straße folgen, in die Tiefe stürzen, klatschen wir uns ab und genießen die Erleichterung. Auf der anderen Seite angekommen, quetschen wir uns auch um diese Absperrung. Die Straße war anscheinend aufgrund eines Erdrutsches gesperrt, bei dem Felsen die Straße zerstört haben. Zum Glück war bereits alles neu gemacht. Bei der Abfahrt haben wir einen guten Blick auf die unter uns liegende Bucht und erblicken sogleich einen Möglichen Schlafplatz am Strand. Wir lassen uns die Straße hinunter dorthin rollen. Auf einem großen Betonstein im dunklen Sand beginnen wir zu kochen. Nebenbei suchen wir eine geeignete Stelle zum Zelt aufbauen. Als wir eine gefunden haben sagt Kyra: “Ich lege dann schon einmal die Plane aus, okay?” und während sie das sagt, sucht sie vergeblich nach dieser. “Michi? Wo ist die Plane? Unser Tarp ist weg…” realisiert sie. Tatsächlich unter Michis Rackpack (Hinterradtasche quer), wo das Tarp normalerweise eingequetscht ist, da es häufig dreckig und nass ist, ist nichts. Das gibt es doch nicht. Wie kann uns sowas nur passieren? Ein 3×4 m großes Tarp verschwindet doch nicht einfach so? Unsere einzige Vermutung ist, dass wir es am letzten Schlafplatz vielleicht haben liegen lassen. Michi hat spontan die Idee morgen mit dem Zug zurück zu fahren und nachzuschauen. Glücklicherweise ist tatsächlich hier und dort direkt ein Bahnhof und alles fußläufig. Zudem kostet das Ticket nur 4,50 €. Das ist ein Versuch wert, doch heute Nacht müssen wir ohne Plane auskommen und das auf Sand. Die Vorstellung allein finden wir unangenehm. Dazu soll es regnen. Wir malen uns bereits jetzt aus, wie überall der Sand am nächsten Morgen hängt. Nicht gut für das Zelt und auch für uns. Mit miserabler Laune kochen und essen wir. Dabei wird es bereits dunkel. Im Dunkeln bauen wir das Zelt auf und verschwinden in diesem. Der erste leichte Regen lässt auch nicht lange auf sich warten. Vor Frust und Müdigkeit schlafen wir innerhalb weniger Minuten um kurz nach 20 Uhr ein. Gute Nacht.


