
Tag 283 - Das verlorene Tarp
Fahrrad-Weltreise: Castrocuco nach Paola
11.03.2025
Der Wecker klingelt um 5 Uhr. Hastig schaltet Kyra den Wecker aus. Draußen ist es noch dunkel. Die ganze Nacht haben wir nichts außer das Meeresrauschen gehört. Auch jetzt ist es noch still. Sofort packen wir die Schlafsäcke ein, lassen die Luft aus den Isomatten und ziehen uns um. Es war so warm in der Nacht, dass wir beide leicht verschwitzt sind. Obwohl für 3 bis 9 Uhr eine hundertprozentige Regenwahrscheinlichkeit angesagt war, regnet es zum Glück nicht. Die Nacht über hatte es immer mal wieder getröpfelt und auch einmal angefangen zu regnen, doch dem gemeldeten Starkregen und Gewitter konnten wir soweit entkommen. Zum Glück! Trotzdem hängt aufgrund von der Feuchtigkeit und der verlorenen Plane einiges an Sand an unserem Zelt. Das bedeutet, dass wir das Zelt gut schütteln und sobald es trocken ist den restlichen Sand entfernen müssen, damit dieser nichts kaputt reiben kann. Unsere Routine zahlt sich aus, schnell ist alles verstaut und wir können im Morgengrauen losfahren. Es sind noch weder Autos noch Menschen unterwegs, wodurch wir die Straßen für uns haben. Als es bereits hell ist, kommen wir am Bahnhof an. Michi springt schnell hinein und besorgt sich zwei Fahrkarten für die Hin- und Rückfahrt. Anschließend fahren wir die Straße hinunter zu einem kleinen Café, aus welchem ein guter Geruch auf die Straße zieht. Auf dem Schild steht “Cornetteria”. Das überzeugt uns! Die Drahtesel lehnen wir an eine freie Hauswand und treten ein. Nach kurzem Warten werden wir angestrahlt und bestellen ein typisch italienisches Frühstück: Cappuccino mit Cornetto. Da die Cornettos frisch gefüllt werden, werden wir nach der Füllung gefragt. Dabei müssen wir nicht lang überlegen, als wir das Wort Pistazie hören, ist klar, was wir möchten. Nachdem wir bestellt haben setzen wir uns und bekommen Alles an den Tisch gebraucht. Aus Höflichkeit Fragen wir, dank einem Übersetzer auf Italienisch, ob Kyra hier für 3 Stunden am Laptop etwas arbeiten darf. Wir erklären die Situation, dass Michi mit dem Zug zurück fährt, um etwas Verlorenes zu suchen. Die Inhaberin lächelt nur freundlich und gibt uns zu verstehen, dass das gar kein Problem ist. Sie zeigt uns einen hinteren Platz, der etwas ruhiger ist und eine Steckdose nebendran hat. Perfekt! Wir verabschieden uns voneinander und Michi geht zum Bahnhof, während Kyrs im Café bleibt und am Blog arbeitet. Die Zeit vergeht schnell. Während Michi eine gefühlte kleine Zeitreise mit dem Zug einen Tag zurück unternimmt, kann Kyra beim Arbeiten viele Menschen im Café ein- und ausgehen sehen. Es ist richtig was los. Nach circa 90 min kommt dann jedoch leider der ernüchternde Anruf von Michi: “Ich habe die Plane nicht gefunden.” Enttäuscht macht er sich auf den Rückweg. Erneut 90 min später steht er wieder im Lokal. “Es bringt nichts sich verrückt zu machen”, meint Kyra und führt fort: “Ich weiß zwar auch nicht, wie es uns passieren konnte, aber das passiert uns nie wieder.” Entspannt teilen wir uns noch ein Crema di Kaffee mit Cornetto und bezahlen.



Unser Plan für heute steht nicht wirklich. Wenn wir nicht viele Kilometer machen, dann ist das halt so. Wir fahren einfach los und folgen der Strecke. Es geht zunächst einen Hügel hinauf. Dabei sehen wir zum ersten Mal seit Tagen, gefühlt Wochen fahrende andere Radreisende. Die beiden jungen Männer genießen gerade die Abfahrt. Einer von Ihnen schreit fröhlich: “jaaaawooohl”. Wir klingeln sie freudig an und rufen: “eine gute Reise!”. Schon sind sie wieder verschwunden. Eigentlich schade. Gerne hätten wir ihnen mitgeteilt, dass sie durch die gesperrte Straße kommen oder Ihnen Tipps für Schlafplätze gegeben. Aber manchmal sind Begegnungen kurz und die beiden waren zu freudig in ihrer Abfahrt, dass sie gerade andere Gedanken als stehen bleiben im Kopf hatten. Verständlich, Abfahrten nach einer anstrengenden Auffahrt will man genießen. Wir kämpfen uns noch eine Weile hoch und müssen die letzten Höhenmeter auf einer Brücke zurücklegen. Diese schwankt plötzlich bedrohlich als ein LKW hinüber fährt. “Ooohhhh… Was zur Hölleeeee”, ruft Michi vorne. Wir beide treten kräftig in die Pedale und beeilen uns. Dabei müssen wir jedoch aus Panik und Komik auch lachen, denn eigentlich sollten die Brücken in Italien sicher sein, oder? Anschließend genießen auch wir eine Abfahrt mit einem grandiosen Blick aufs Meer. Schon lange haben wir kein so türkises Wasser mehr gesehen. Es ist einfach wunderschön. Zudem danken wir innerlich einmal mehr den vielen Brücken und Tunneln der Italiener, denn die alte Straße führt unter uns mehrmals in Schluchten rein und wieder hinaus. Wir können jedoch von der Straße aus die serpentinenreichen Straßen und fantastische Blicke aus Meer genießen. Nach der Abfahrt folgen wir unserer Route am Meer entlang. Es ist nun mehr oder weniger flach. Gegen Mittag machen wir eine Pause auf lustigen Steinsesseln und Löffeln ein Müsli. Dann geht es wieder weiter am Meer entlang. Durch leichten Rückenwind und langen Passagen auf der Hauptstraße kommen wir gut voran. Die herausgesuchte Schlafstelle scheint nicht gut geeignet und da es erst früher Nachmittag ist, fahren wir weiter. An einem kleinen Autohof halten wir, weil Michi auf Toilette muss und wir nochmal ein Blick auf die Karte werfen wollen.



Da erblicken wir einen Wasseranschluss neben uns. “Do you speek englisch? Is this portable water?” fragt Kyra den Autoverkäufer. Er verneint, aber winkt uns zu sich. Wir bekommen 2l Wasser geschenkt und zwei Espresso. Unglaublich nett! Mit etwas italienisch, deutsch und englisch können wir uns halbwegs verständigen. Wir zeigen ihm unsere Tour und scherzen bei ihm ein Auto zu kaufen und mit diesem weiterzufahren. Wir lachen und verabschieden uns bald wieder. Nun heißt es für uns einen Schlafplatz zu finden, was bisher in Italien nicht so leicht war. In einigen Kilometern führt die Straße jedoch direkt ans Meer und da hoffen wir etwas zu finden. Die Kilometer rollen dahin und nur wenige Minuten später verlassen wir die Hauptstraße. Ein Mann winkt uns noch freudig im Vorgarten, dann nehmen wir die Abzweigung zum Wasser und stehen vor einer Baustelle. Im ersten Moment ärgern wir uns, da es hier fast unmöglich ist zu fahren, aber als wir nach rechts blicken, sehen wir unseren heutigen Schlafplatz. Wir laufen den Schotterweg zwischen Schienen und Meer bis zum Ende. Dort bereitet Michi eine Fläche ohne spitze Steine zum Schlafen vor und kocht, während Kyra Blog schreibt. Immer wieder rauschen Züge neben uns vorbei, ein Fischer bewegt sich mit seinem Boot lautlos auf dem Meer und ein Nachbar bringt immer wieder Grünschnitt von seinem Feld vorbei. Hoffentlich werden wir geduldet. Nach einer traumhaften blauen Stunde essen wir Spaghetti mit Tomatensoße, Knoblauch, frischem Rosmarin und Olivenöl. Dabei schauen wir aufs Meer und genießen dessen Wellenrauschen. Ein Traum… Anschließend bauen wir das Zelt fertig auf und verkriechen uns. Ein paar Züge donnern noch an uns vorbei, doch das Scheinwerferlicht von diesen scheint uns kaum zu treffen und somit sollte das Zelt unbemerkt bleiben. Gute Nacht!

