
Tag 284 - Der Atem der Erde
Fahrrad-Weltreise: Paola nach Acconia
12.03.2025
Zum Glück sind in der Nacht kaum Züge gefahren, denn bei jedem Zug haben wir das Gefühl, dass dieser direkt auf uns zu rast. Erst gegen halb 6 Uhr, als es langsam wieder hell wird, beginnt der Betrieb aufs neue. Die Ruhe, das Vogelgezwitscher und Meeresrauschen wird immer wieder mit einem Schlag unterbrochen. Dröhnen rast der Zug an uns vorbei. Da wir relativ sichtbar stehen, wird es Zeit zusammenzupacken. Wir strecken uns noch einmal und beginnen mit dem Abbau. Auch wenn der Himmel bedeckt ist, sieht das Meer traumhaft aus. Mit einer Tasse voll Müsli und Milch setzten wir uns auf die großen Steine und genießen den Morgen. Das Mittelmeer ist ruhig. Flache Wellen bewegen sich auf das Ufer zu und ziehen sich wieder zurück. “Das ist beruhigend, wie Atmen hört sich das fast an”, stellt Michi fest und nach einer Weile ergänzt Kyra: “Der Atem der Erde”. Wir sitzen noch kurz da und schweigen. Ein weiterer Zug holt uns jedoch zurück aus den Gedanken und wir machen uns auf den Weg. Um die Planensituation zu lösen möchten wir zunächst einen Baumarkt ganz in der Nähe aufsuchen, doch… Als wir wenige Minuten später dort ankommen, ist kein Baumarkt vorhanden. Wir suchen noch kurz, aber die Suche bleibt vergebens. Somit geht es doch erstmal weiter. Wie finden eine Bank mit Blick auf das Meer. Hier bleiben wir stehen und schneiden ein Reel bzw. Short für Instagram, Facebook und YouTube sowie schreiben etwas am Blog. Die Sonne steht Währenddessen bereits hoch am Himmel und macht den Blick auf den Bildschirm schlechter und schlechter. Erst kurz vor Mittag sind wir fertig. Unsere Bäucher knurren bereits, doch wir entscheiden erst die circa 30 km nach Amantea zu fahren. Dort gibt es einen weiteren Baumarkt und größere Supermärkte. Erstaunlicherweise ist es auch zunächst ziemlich flach, doch dann kommt ein Anstieg, der unsere Kräfte fordert. Steil geht es nach oben zur Hauptstraße. Wir müssen stehen und treten mit Aller Kraft in die Pedale. Immer wieder werden wir beim Serpentinen fahren unterbrochen, da Autos von vorne oder hinten an uns vorbei fahren. Mit Leichtigkeit fahren sie an uns vorbei. Doch dann haben auch wir es geschafft. Oben angekommen jubeln wir kurz und fahren auf der Hauptstraße direkt wieder hinunter. Dann bleibt es wirklich flach. Wir können auf der gut gemachten Straße Geschwindigkeit aufbauen und sind bereits vor 14 Uhr in der Stadt. Ein großes Schild weißt uns auf Lidl hin und das Angebot nehmen wir gerne an. Lustigerweise sind auch genau unsere Haupternährungssachen im Angebot: Brot, Hummus, Pesto für Nudeln… Perfekt, so sind wir für die nächsten Tage ausgestattet. Noch vor Ort belegen wir uns jeder ein Brot. Dabei beobachten wir die ein- und ausgehenden Kunden bei lidl. Anschließend folgen wir weiter der Straße. Leider hat auch der nächste Baummarkt geschlossen. “Alles Gute sind 3”, sagen wir uns noch als wir den letzten Baumarkt der Stadt ansteuern, doch auch dieser ist mitten in seiner Siesta. Glücklicherweise sieht das Geschäft daneben auch vielversprechend aus. Es wird mit Gartenmaterial beworben. Eine grüne Bauplane sollten wir dort sicher bekommen, oder? Vielleicht sogar passende Schrauben für unsere seit Monaten abgebrochenen Ständer oder für die zwei verlorenen Schrauben an Michis Ortliebtasche? Much springt hinein und kommt strahlend zurück. Er hält Kyra die Plane und Schrauben entgegen: “Ich habe nur 9 Euro bezahlt!” Wir sind glücklich so schnell einen guten Ersatz für unser verlorenes Tarp gefunden zu haben. Nun wird die nächste Nacht wieder entspannter.



Wir müssen uns weniger Sorgen um den Zeltboden machen. Da es weiterhin nahezu flach ist, es geht höchstens mal 70 m hoch, können wir auf den kommenden Kilometern gut Tempo machen. Der Wind bläst uns zwar zwischenzeitlich szral entgegen, trotzdem sind wir schnell unterwegs und erreichen einen breiten Strand hinter einem Waldabschnitt. Zum Sonnenuntergang ist richtig viel los. Zahlreiche Autos fahren am Strand hoch und runter oder parken und genießen den Ausblick vom Auto. Nur wenige verlassen ihr Fahrzeug um einen kleinen Spaziergang zu machen. Viele von ihnen sind zudem sehr neugierig und beobachten unser Verhalten. Ob sie uns verraten würden, wenn wir jetzt hier das Zelt aufbauen? Trotz der Bedenken suchen wir uns eine Stelle, doch überall liegt Müll und zahlreiche Glasscherben verhindern ein Zeltaufbau. Kurz sind wir ratlos, da es auch noch heftig anfängt zu winden. Doch dann entscheiden wir uns, zurück in den Wald zu gehen. Auch wenn es mittlerweile schon dunkel ist, finden wir dort schnell ein Plätzchen direkt am Wegesrand. Ein paar Wildschweinspuren sind in der Umgebung, doch die Tiere sind wahrscheinlich mehr am Müll, als an uns interessiert. Dann erkennen wir jedoch eine andere viel realere Gefahr. Über uns wackelt bedrohlich ein Baum, der schon sehr schief steht. “Riskieren wir es?” fragt Kyra.



Doch wir beide fühlen uns so unwohl, dass wir eine andere Stelle suchen. Das bereits aufgebaute Zelt tragen wir einfach dorthin und setzen die Heringe erneut. Der Wind bläst über unsere Köpfe hinweg und wir können beobachten, wie es langsam stockdunkel wird. Immer noch fahren zahlreiche Autos zum Strand, wir hören viel Hundegebell und sind froh, in den Wald gegangen zu sein. Hier verspricht es eine ruhige Nacht zu werden. Doch zuvor haben wir noch ein Festmahl geplant. Bei lidl haben wir durch Zufall Weißwürstchen entdeckt. Es gab sogar süßen Senf und Brezeln dazu. Erst am Vormonat hatte Kyra erzählt, dass sie im September und Oktober mehrmals für Michi gehofft hatte welche bei lidl in der deutschen Woche zu finden, doch leider gab es sie nirgends. Michi der aus Bayern kommt freut sich einmal im Jahr sehr darüber. Als bräuchte man sich nur beschweren, fanden wir sie 2 h später. Verrückt. Also holen wir ein kleines Oktoberfest im März nach, nur ohne Bier. Anschließend fallen wir erschöpft in den Schlafsack. Gute Nacht!
