Tag 316 - Hunde am Zelt

Fahrrad-Weltreise: Ilias nach Saranda

13.04.2025

Lesedauer ca. 10 min

Gegen kurz nach Mitternacht wachen wir erschrocken auf. Erneut bellt es um uns herum. Diesmal sind es jedoch mindestens vier Hunde. Sofort sind wir hellwach. Mit der Erfahrung von gestern Abend bleiben wir jedoch relativ entspannt und hoffen, dass diese vier ebenso schnell verschwinden, wie zuvor. Doch es scheint etwas anders zu sein. Ein Hund kommt immer näher auf unser Zelt zu, wir können ihn hecheln hören. Laut atmet er vor sich hin und fängt plötzlich an zu knurren. Das lässt uns nun doch etwas nervös werden. Wir setzen uns auf und hören gespannt aus welcher Richtung die Geräusche kommen. Zwei andere Hunde der Gruppe bellen laut. Es hört sich so an, als würden sie unser Zelt umzingeln und immer weiter näher kommen. Es ist ein unangenehmes Gefühl. Wir wissen nicht so wirklich, was wir tun sollen, außer den Geräuschen zu lauschen. Schließlich rennt ein Hund schnell an unserem Zelt vorbei und ein weiterer scheint ihnen zu folgen. Das Bellen wird leiser und das Knurren verstummt. Ein weiterer Hund rennt schnell am Zelt vorbei, dann ist plötzlich Stille. „Sind sie weg?“, fragt Kyra. „Ich weiß es nicht“, antwortet Michi. Wir hören etwas rascheln, doch können wir nicht genau sagen, ob es von einem Hund oder einem anderen Tier kommt. „Vielleicht liegt noch einer in der Nähe?“ überlegt Michi laut. Wir werden es nicht herausfinden, denn keiner von uns wagt es hinauszublicken. Was vielleicht auch besser ist… Nach einer kurzen Weile hören wir erneut Bellen in unmittelbarer Nähe. Erneut harren wir die Situation aus und wieder verschwinden die Hunde. Erst als nach circa 2 Stunden ein einzelner Hund bei uns am Zelt schnüffelt, wird es Michi zu viel. Vielleicht hilft es laut zu sein? Gehört haben, werden sie uns sowieso bereits. Zudem riechen sie uns. „Hier gibt es nichts zu schnüffeln! Hau ab!“ sagt Michi laut und bestimmt. Sofort zeigt es Wirkung und der Hund verstummt. „Ist er weg?“ fragt Kyra irritiert. „Ich weiß es nicht“, meint Michi. Wir warten noch eine ganze Weile, doch wir hören nichts mehr. Schließlich bellen mehrere Hunde in größerer Entfernung und die Geräusche scheinen sich zu entfernen. „Ich muss auf Toilette… Du auch? Sollen wir es wagen?“ fragt Michi. Kyra nickt bloß und vorsichtig wagen wir einen Blick nach draußen. Der Mond scheint so hell über dem Olivenhain, dass wir die Umgebung gut wahrnehmen können. Es ist ein sternenklarer Himmel und nun komplett still. Es wirkt irgendwie surreal, als hätten wir uns die Situation mit den Hunden nur eingebildet oder geträumt. Nun wirkt der Hain fast paradiesisch. Wir trauen uns langsam raus und gucken während des Pipi-Machens in unterschiedliche Richtungen. Zum Glück sehen wir keine Bewegung. Trotzdem beeilen wir uns und verschwinden wieder schnell ins Zelt. Die Aufregung hat uns so erschöpft, dass wir schneller als gedacht wieder einschlafen können. Noch zwei- oder dreimal wachen wir in der Nacht auf, da ein einzelner Hund in der Nähe ist. Doch jedes Mal bleibt dieser nicht lang und knurrt zum Glück nicht mehr. Erst als es bereits hell ist, wachen win schließlich auf. „Guten Morgen!“ guckt Michi Kyra an. „Hast du noch gut geschlafen?“ Kyra nickt: „Joa, besser als gedacht. Aber zu kurz! Nun wirkt es hier so, als hätten wir alles nur geträumt“ Nun nickt Michi. Wir sitzen noch eine Weile so dar, doch dann hören wir ein Auto oben am Straßenrand parken. „Mist! Vielleicht sollten wir lieber schnell einpacken!“ gibt Michi zu bedenken. Und tatsächlich ist dies eine gute Idee. Während Michi bereits das Zelt verlässt, packt Kyra im Inneren die wenigen Sachen zusammen. Als auch sie das Zelt verlässt, kommt ein Mann den steilen Weg hinunter zum Olivenhain. Doch er scheint nicht böse und lächelt uns nur freundlich entgegen. Er spricht etwas auf albanisch und als er merkt, dass wir ihn nicht verstehen, fragt er: „Sleep well?“ Wir nicken und sagen „Yes, yes“ Zudem erklären wir mit Lauten, Händen und Füßen, dass letzte Nacht einige Hunde hier waren. Er versteht und es scheint keine überraschende Aussage zu sein. Doch er fragt uns, ob wir gebissen wurden. Wir verneinen. Anschließend erklärt er uns, dass jede Stufe des Hains einer anderen Person gehört. Er hat jedoch gestern die Bäume geschnitten und nimmt nun seinen Anteil des Holzes als Feuerholz mit. „Hotel Ilias“ nennt er lachend nun den Olivenhain, da wir in diesem geschlafen haben. Es fällt jedoch kein böses Wort und kein böser Blick, dass wir hier geschlafen haben. Im Gegenteil, er scheint sich zu freuen, neue Leute kennenzulernen und ein kurzes Gespräch zu haben. Michi fragt noch, ob er beim Holztragen helfen soll, doch er lehnt höflich ab. Somit packen wir schnell das Zelt zusammen. Jedes Mal, wenn er an uns vorbei läuft, fällt ihm etwas Neues ein und er bleibt für ein paar wechselnde Worte stehen. Als wir ziemlich zeitgleich fertig sind und oben an der Straße stehen, zeigt er mit dem Finger auf einige Schafe, die nun auf den Olivenhain getrieben werden. Wir verstehen, dass es seine Herde ist. Mit ihr rennt ein schwarzer Hund und dahinter ein Hirte. Dann winken wir dem Hirten unten auf dem Olivenhain, bevor wir ebenfalls die Straße entlang fahren. Dieser führt uns zunächst bergauf, weshalb Kyra mehr als froh ist, dass wir gestern Abend früher als geplant einen Schlafplatz gefunden haben. Auch wenn dieser nicht ansatzweise Perfekt war. Wir fühlen uns etwas gerädert. Doch dann folgt die Abfahrt uns die Hand, verabschiedet sich und fährt mit dem Auto davon. Wir winken noch und wir genießen ist. Sofort folgt die Stadt Himara, in der wir nach einem Café mit Internet suchen möchten, um auf Kyras Handy die Offline Navigation und Übersetzer herunterzuladen, da Michis Handy seit dem gestrigen Sturz noch immer nicht funktioniert.

Wir sind schon fast wieder auf dem Weg hinaus aus der Stadt, als wir die Strandpromenade mit zahlreichen Cafés entdecken. Vor jedem Café bleiben wir kurz stehen, um auf Kyras Handy nachzusehen, ob WLAN verfügbar ist. Ein Café spricht uns direkt positiv an. Wir gehen hinein und erklären unsere Situation. Die Inhaberin versteht zwar nicht viel Englisch, kann sich jedoch unser Problem zusammenreimen, als sie das Handy von Michi sieht und das Wort „Wifi“ hört. Sofort ist sie sehr besorgt und sucht nach Alternativen, als ihr nicht das passende Passwort einfällt. Sie scheint alle anderen Gäste zu kennen und spricht diese an. Einer gibt uns seinen Hotspot, während wir zwei Cappuccino bestellen. Nach wenigen Minuten kommt ihr Sohn und richtet uns das Wlan des Cafés ein. So nett! In kürzester Zeit können wir die wichtigsten Dinge klären. Somit sollte den weiteren Kilometern in Albanien nichts mehr im Weg stehen. Das einzige Problem besteht weiterhin in Michis kaputten Display. Noch sind wir am überlegen, ob wir diesen in einem Geschäft tauschen sollen oder gleich ein neues bzw. gebrauchtes Handy kaufen sollen, denn wir können natürlich nicht ins Innere des Telefons blicken. Während wir über unsere Möglichkeiten diskutieren und nach Preisen recherchieren, beobachten wir die Passanten auf der Strandpromenade. Eine Familie mit zwei Mädchen nimmt neben uns am Tisch Platz. Sie lächeln uns nett entgegen und die Kids verschwinden sofort an den Strand. Sie gehen unheimlich liebevoll miteinander um und das eine Mädchen trägt das Jüngere, damit ihre Füße nicht vom Sand dreckig werden. Nach einiger Zeit sprechen wir die Familie an: „Where are you from?“ Sie erzählen, dass sie aus Schottland, genauer gesagt aus Edinburgh sind und sie genauso wie wir aus Vlora hierher gekommen sind. Der Berg mit den Serpentinen war ihnen selbst aus dem Auto etwas ungeheuer. Wir unterhalten uns eine Weile und fragen schließlich, ob ihre Mädchen Lust haben, auf Emil und Elias die Großbritannien-Flagge zu kleben, denn diese fehlt noch auf dem Rahmen. Normalerweise lassen wir die Flaggen von anderen Menschen noch in dem Land selbst oder kurz danach kleben, doch die britische Flagge mussten wir nachbestellen und kam erst in Italien an. Die beiden Kids freuen sich nun sehr und machen es gerne. Dann wird es für die Vier Zeit zu gehen, denn sie haben ein Bootsausflug zu kleinen Stränden gebucht. Auch wir müssen uns langsam auf den Weg machen. Wir bezahlen und verabschieden uns im Café, schwingen uns auf die Drahtesel und fahren weiter. Zunächst geht es eine Weile relativ flach mit nur kleineren Hügeln von circa 50 bis 100 m Höhe. Doch dann kommen zwei 300 m Berge auf uns zu. Da wir bisher noch nichts gegessen haben, bleiben wir kurz nach Beginn des Ersten stehen und essen am Straßenrand ein Müsli. Gerne hätten wir in einem Restaurant gegessen, da die Preise günstig sind und wir extra Bargeld abgehoben hatten, doch um die Mittagszeit scheint alles geschlossen. So sitzen wir schwitzend im Schatten hinter einem Müllauto am Straßenrand. Was für eine traumhafte Kulisse… Nicht… Manchmal ist es eben so und mit leerem Magen nach mehreren Kilometern bei Hitze zwei Hügel hinauf zu fahren, ist keine gute Idee. Unser Körper würde uns dies mit Zittern und Schwindel danken. Aber es kommt, wie es häufig ist. Kurz nachdem wir wieder weiterfahren, taucht neben uns ein schönes Restaurant auf und es hat geöffnet. Mist! In einer Parkbucht neben dem Restaurant steht ein riesiges Expeditionsmobil. Das Kennzeichen kündigt „D“ für Düsseldorf an. „Sollen wir die anquatschen?“ fragt Michi und Kyra nickt. Wir rollen hinüber und die beiden lächeln uns sofort freundlich zu. Sie sind bereits seit 3 Jahren unterwegs und waren gefühlt fast überall in Asien. Sie erzählen uns von traumhaften Landschaften und netten Menschen, aber auch von überfüllten Straßen in Indien. Es ist spannend sich auszutauschen, doch es wird ebenso deutlich, dass das Reisen in einem so großen Auto etwas ganz anderes ist, als mit Fahrrad und Zelt. Sorge vor Eindringlingen oder Hunden in der Nacht, müssen die beiden sich nicht machen. So wird schnell deutlich, dass wir jeweils unterschiedliche Sorgen und Bedenken, aber auch Freuden und Interessen haben. Nach einem dennoch netten kurzweiligen Gespräch, verabschieden wir uns wieder.

Die beiden gehen nun essen und für uns steht der Hügel an. Das schlimmste scheint jedoch bereits geschafft. Nun geht es nicht mehr so steil nach oben, es ist eher angenehm und die kommende Abfahrt belohnt mal wieder. Sofort folgt der zweite Hügel und wir staunen nicht schlecht, als wir plötzlich zwei andere Radreisende über uns die Serpentinen hinauf fahren sehen. Wir klingeln und winken ihnen zu. Die beiden winken zurück. Erst als wir fast oben sind, holen wir die beiden in einer Pause ein. Jade und Thierry kommen aus Neuseeland und Frankreich. Die beiden sind ebenfalls bereits seit ein paar Monaten unterwegs und haben sich auf der Reise kennengelernt. Heute wird erstmal der letzte Tag sein, an dem sie zusammen radeln. Morgen wollen sie unterschiedliche Richtungen einschlagen. Thierry war die letzten 3 Monate in Albanien. Er hat ziemliche Knieprobleme und kann deshalb nur schlecht bergauf fahren. In drei Tagen endet seine visafreie Zeit und er muss das Land verlassen. Aus diesem Grund fährt er in eine sehr ähnliche Richtung, wie wir weiter. Spontan entscheiden wir zu viert den restlichen Hügel zu meistern. Unser Ziel für heute ist das gleiche: Saranda, eine relativ große Stadt am Meer. Von dort ist es nur noch ein kleiner Sprung bis zur Grenze nach Griechenland. Sie haben bereits einen Schlafplatz bei einem Warmshower-Host in der Stadt. Wir wollen heute wahrscheinlich auf einem Campingplatz übernachten, um etwas Schlaf nachzuholen. Vor wenigen Minuten war ein Auto neben uns stehen geblieben und hat uns auf englisch erklärt, dass er einen Campingplatz in Saranda hat. Es wäre ein wundervoller Platz und wir sollen dorthin kommen. Vielleicht machen wir das… Die Kilometer während des gemeinsamen Radelns verfliegen schnell. Nach dem zweiten Anstieg belohnt uns eine schöne Abfahrt und nur noch 25 km warten bis zur Stadt. Nun ist es wieder wesentlich flacher, doch kleine Anstiege warten weiterhin auf uns. Michi unterhält sich die meiste Zeit vorne mit Thierry und Kyra folgt mit Jade. Wir tauschen uns über die gefahrenen Kilometer aus und alles, was noch kommen soll. Dann haben wir es endlich geschafft und erreichen die Stadt. Wir fahren noch die letzten Kilometer durch die Stadt zusammen, bis wir uns wieder trennen. Thierry möchte sich morgen früh melden, damit wir vielleicht ein weiteres Stück gemeinsam radeln können. Auf den letzten zwei Kilometern verfahren wir uns noch. Wir übersehen eine Abzweigung und schwups sind wir einen Kilometer zu weit gefahren. Zum Glück gelangen wir schnell wieder zurück und finden den richtigen Weg. Auf dem Campingplatz werden wir von der Frau des Inhabers begrüßt. Sie öffnet uns freundlich das Tor. Bevor wir jedoch wirklich eintreten, müssen wir erst noch klären, wie teuer eine Übernachtung ist. Auf Kyras Frage antwortet sie: „10 € for each person!“. Wir müssen Schlucken. 20 € die Nacht für einen Stellplatz auf dem Campingplatz im Vergleich zu 30 € für eine Nacht im Hotel? Das scheint wirklich viel zu sein. Kyras erste Reaktion ist: „Sorry! That is to much.“ Schnell bekommen wir das Angebot für 15 € bleiben zu können und Michi überzeugt Kyra hier das Zelt aufzubauen. Der Platz ist wirklich schön gelegen und es könnte viel draus gemacht werden. Doch der harte Kiesboden ist für Zelte nur schlecht geeignet. Zudem sind die Toiletten improvisiert und die Duschen sehr alt. Während wir das Zelt aufbauen, wird es bereits dunkel und in der Ferne über die Bucht, sehen wir den anderen Teil der Stadt Saranda. Die Lichter funkeln in der Dunkelheit auf dem Meer. Es sieht wirklich traumhaft aus. Dazu ist es außergewöhnlich still für eine Stadt. Während Kyra ausgiebig die Dusche nutzt, hilft Michi einem spanischen Paar ihr Zelt abzuspannen und versucht von seinem Handy mit dem kaputten Display die Fotos und Kontakte zu sichern. Zum Glück gelinkt es ihm, indem er mit flackerndem Bildschirm alles Kyra via WhatsApp zusenden kann. Anschließend gibt es zum Abendessen Reis mit Tomatensoße und weißen Riesenbohnen. Es schmeckt wirklich lecker und wir sind unglaublich hungrig. Wir genießen das Essen im Zelt und schlafen anschließend schnell erschöpft ein. Den Abwasch verschieben wir auf Morgen. Gute Nacht!